Bruder Cadfaels Buße
zum Fluß Tees hinauszuschieben, nicht unbedingt von Nachteil. Er war ein fähiger, aber einsilbiger Mann, der trotz seines fortgeschrittenen Alters und der grauen Strähnen in Haar und Bart noch gut aussah. Jetzt reckte sich David wohlig, nachdem er viel zu lange über Landkarten und langweilige Pergamente gebeugt gesessen hatte. Er wandte den Kopf nicht, um zu sehen, welcher Bittsteller da so spät am Tag noch vorgelassen wurde.
Die beiden anderen, der Haushofmeister Humphrey de Bohun und der Marschall John FitzGilbert, standen zu beiden Seiten ihrer Kaiserin. Diese zwei noch recht jungen Stützen der kaiserlichen Hofhaltung wirkten im stillen hinter den Kulissen, während ihre Paladine in der Öffentlichkeit im hellen Glanz des Ruhmes mit ihren Waffentaten paradierten. Yves hatte die beiden während der wenigen Wochen, die er nun dem Gefolge der Kaiserin angehörte, beobachtet und zollte ihnen Respekt, denn es handelte sich um Männer, mit denen man vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte. Sie wandten sich jetzt ihm zu. Auf ihren Gesichtern lag Besorgnis, aber auch der Ausdruck von Willkommen. Die Kaiserin ihrerseits brauchte eine Weile, um sich an die Umstände zu erinnern, unter denen Yves verschwunden war. Sie runzelte die Stirn, als trage er die Schuld daran, daß sie beträchtliche Unbill erlitten hatte.
Er trat einige Schritte vor und verneigte sich tief. »Kaiserliche Hoheit, ich bin zurückgekehrt, um meine Pflicht zu tun, und ich bringe Neuigkeiten. Darf ich sprechen?«
»Ich erinnere mich«, sagte sie, allmählich aus ihrer Versunkenheit auftauchend. »Wir hatten keine Nachricht von Euch, seit wir Euch bei der Rückkehr von Coventry am späten Abend auf dem Weg durch den Forst nahe Deerhurst verloren haben. Ich freue mich, Euch wohlbehalten zu sehen. Wir vermuten, daß Euch FitzRobert entführt hat. Verhält es sich so? Wo hat er Euch festgehalten, und wie ist es Euch gelungen, die Freiheit zu gewinnen?«
Sie wurde etwas lebhafter, doch hatte er nicht den Eindruck, als hätte sie sich besonders um ihn gesorgt. Die Mißhandlung oder auch der Tod eines ihrer Edelleute würde nicht viel an der Rechnung ändern, die sie mit Philip FitzRobert zu begleichen hatte. Bei der Nennung seines Namens waren in ihren Augen kleine Flammen aufgezuckt.
»Ich wurde nach La Musarderie in Greenhamsted gebracht, der Burg, die er den Musards vor einigen Monaten entrissen hat. Ich kann nicht den Anspruch erheben, meine Freiheit aus eigener Kraft errungen zu haben, denn er hat sie mir geschenkt. Wie Ihr wißt, war er davon überzeugt, daß ich seinen Gefolgsmann de Soulis getötet habe.« Die Röte stieg ihm ins Gesicht, als er daran dachte, wessen sie ihn für fähig gehalten hatte und wohl nach wie vor hielt. Er versuchte, sich nicht vorzustellen, mit welch belustigter Billigung sie sich diesen zurückhaltenden Hinweis auf de Soulis' Tod anhören mochte. Wahrscheinlich erwartete sie solches Feingefühl nicht von ihm. Vielleicht war ihr sein Wiederauftauchen sogar unbehaglich und schürte den Ärger auf Philip noch weiter, weil dieser seinen Gefangenen nicht kurzerhand beseitigt hatte.
»Aber dieser Ansicht ist er nicht mehr«, beeilte er sich hinzuzufügen, denn jetzt war unerheblich, was sie ihm zutraute oder nicht. »Er hat mir die Freiheit gegeben. Ich kann mich über ihn nicht beklagen, denn ich wurde nicht schlecht behandelt, wenn man bedenkt, wessen er rqich bezichtigte.«
»Man hat Euch in Ketten gelegt«, sagte de Bohun mit einem Blick auf seine Handgelenke.
»Das stimmt. Angesichts der Situation ist das nicht ungewöhnlich. Aber, Kaiserliche Hoheit, meine Herren, ich habe entdeckt, daß er im Verlies jener Burg Olivier de Bretagne gefangenhält, den Gemahl meiner Schwester, und zwar seit dem Abfall von Faringdon. Von einer Freilassung, auch gegen Lösegeld, will er nichts hören. Viele wären bereit, ihn freizukaufen, aber er gibt ihn um keinen Preis heraus. So stark die Burg La Musarderie auch ist, so denke ich doch, daß wir hier die Kräfte haben, sie so rasch im Sturm zu nehmen, daß Philip keine Möglichkeit hat, Verstärkung von seinen anderen Burgen herbeizurufen.«
»Für einen einzigen Gefangenen?« fragte die Kaiserin.
»Das könnte sich als sehr hoher Preis erweisen, zumal keinesfalls sicher ist, daß Olivier de Bretagne dabei befreit würde. Wir haben wichtigere Dinge im Kopf als das Wohlergehen eines einzelnen Mannes.«
»Er hat unserer Sache in der Vergangenheit sehr genützt«, gab Yves zu
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