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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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sich über Schneefelder und glitzerten dort wie Millionen winziger Sterne, die gefroren zur Erde gefallen waren. Er sah eisige Ebenen, schwarze Abgründe und gezackte Felsriesen, die in Gletscher gehüllt waren. Der Boden klirrte vor Kälte. Zitternd in seinem Schlafsack zusammengekauert, vernahm er den Donner vom Eis zerrissener Felsen, das Grollen von Lawinen und hin und wieder von weit her das Heulen umherstreifender Raubtiere.
    »Wie kann man hier leben?« fragte er einmal Mongku. »Das Land ist tot. Es erfror vor zehntausend Jahren.«
    »Im Gebiet von Ganasth ist es ein wenig wärmer«, antwortete der Prinz. »Dort gibt es Vulkane, heiße Quellen und einen großen See, der niemals zufriert. Darin leben Fische, Tiere ernähren sich davon und der Mensch wieder von diesen. Aber es bedurfte der Besiegten und Verfolgten, das Land zu besiedeln. Wir sind die Enterbten und verlangen nicht mehr als unseren rechtmäßigen Anteil vom Leben, indem wir in die Dämmerländer zurückkehren.« Gedankenvoll fügte er hinzu: »Ich habe deine Waffe untersucht, Kery. Ich glaube, ich weiß, wie sie funktioniert. Der Schall vermag viel, und es gibt Laute, die zu tief oder zu hoch sind, als daß sie das menschliche Ohr wahrzunehmen vermag. Ein Sänger, der lange genug die richtige Note singt, kann ein Weinglas zum Erzittern bringen, bis es zerbricht. Wir bauten einmal eine Brücke über die Donnerschlucht in der Nähe von Ganasth, doch der Wind, der zwischen den Felswänden bläst, schien sie in einem bestimmten Rhythmus zum Schwingen zu bringen, bis sie barst. O doch, wenn man die richtigen Töne findet, kann man viel erreichen! Ich weiß nicht, welche Höllenmusik diese Pfeife hervorbringen soll, aber ich fand, daß die Zungenblätter gespannt und gelockert und die Gestalt des Sackes durch geeignetes Halten leicht verändert werden kann. Wenn man die richtige Kombination findet, dann glaube ich gern, daß selbst das durch den Atem eines Mannes hervorgerufene Geräusch töten, brechen und zerreißen kann.« Er nickte, und sein hageres, halbmenschliches Gesicht leuchtete rot im Schein des Feuers. »Aye, ich werde die Töne finden, Kery, und dann wird die Pfeife für Ganasth erklingen.«
    Der Barbar schauderte nicht nur ob des kalten, durchdringenden Windes. Götter, falls er dies tatsächlich vermochte! Falls die Pfeife den letzten Gesang von Killorn anstimmte! Einen Moment lang verspürte er das wilde Verlangen, sich auf Mongku zu stürzen, ihm die Kehle zu zerreißen und die zwanzig Krieger mit bloßen Händen zu töten. Aber nein – es hätte keinen Sinn. Er würde sterben, noch ehe er richtig begonnen hatte, und Sathi wäre allein in den Dunkelländern. Er sah sie an, die still in der Nähe des Feuers saß. Das flackernde Feuer schien ihre anmutige, junge Gestalt in Blut zu baden. Sie schenkte ihm ein müdes und hoffnungsloses Lächeln. Tapferes Mädchen, tapferes Mädchen – in jeder Hinsicht die Gefährtin für einen Krieger. Aber da war die Pfeife, da war Killorn, und da war Morna, die auf seine Rückkehr wartete.
    Er wußte, daß sie sich bereits Ganasth näherten. Sie waren an Quellen vorbeigeritten, die im Schnee kochten, hatten den roten Schein von Vulkanen am zerrissenen Horizont gesehen und waren an Feldern mit weißen Pilzen vorbeigekommen, die die Dunkelleute bestellten. Bald würden sich die eisernen Tore hinter ihm schließen, und welche Hoffnung verblieb ihm dann noch? Er kroch in seinen Schlafsack und versuchte zu denken. Er mußte entkommen. Irgendwie mußte er mit der Götterpfeife fliehen. Aber wenn er es versuchte und unter einem Dutzend Speere fiele, dann wäre es das Ende aller Hoffnung.
    Der Wind blies und wehte Schnee über die Schläfer. Zwei Männer standen Wache, und ihre sonderbar glühenden Augen waren stets auf die Gefangenen gerichtet. Sie konnten ihn in diesem Schattenreich sehen, wo er halb blind war. Sie konnten ihn wie ein Tier hetzen.
    Was war zu tun? Was?
    Unterwegs waren seine Hände auf den Rücken gebunden, die Knöchel wurden an den Steigbügeln befestigt und die Zügel um den Sattelknopf eines anderes Reittiers gebunden. Da gab es keine Chance zu entkommen. Doch vielleicht beim Aufstehen nach dem Schlafen.
    Er wälzte sich dichter an Sathis Gestalt heran, als wendete er sich im Schlaf. Seine Lippen streiften gegen den Ledersack, und er wünschte, es wäre ihr Antlitz. »Sathi«, flüsterte er leise. »Sathi, bewege dich nicht, aber höre zu!«
    »Aye«, kam ihre Stimme durch Wind und

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