Bruderdienst: Roman (German Edition)
einfacher«, sagte Boris gelangweilt. »Mit welcher Enthüllung kann ich dir diesmal dienen?«
»Wir wissen schon alles«, entgegnete Krause. »Ich will dich lediglich auf etwas aufmerksam machen: Ich bin mir sicher, dass der General der Nordkoreaner fest davon überzeugt ist, dass er die Atombombe transportiert hat. Aber wahrscheinlich hat er nur eine Kiste voller Uniformen durch die Gegend kutschiert, die für Peking genäht wurden. Es sieht verdammt nach einer Show aus. Und ich möchte auch nicht, dass dein Staatschef sich länger als notwendig mit diesem General beschäftigt. Der Mann hat Wichtigeres zu tun. Es ist also nur eine Nachricht von Haus zu Haus.«
»Hast du einen Beweis?«
»Nur einen starken Verdacht, mehr nicht. Sie haben gleichzeitig eine andere Kiste nach China geschafft. In der war auch nichts.«
»Ich nehme an, du sprichst von Satellitenbildern?«
»Kann sein. Wir nehmen an, dass der Transport um diesen fraglichen Zeitpunkt herum längst gelaufen war.«
»Mein Reden«, brummte Boris in tiefem Bass. »Und an welchem Tag soll irgendetwas gelaufen sein?«
»Nach unserer Auffassung war das nach dem 29. April des vorigen Jahres.«
»Wieso nach dem 29. April?«
»In den Tagen danach hatten wir einen persönlichen Kontakt in Nordkorea. Aber ich habe eine Frage an dich: Berichtet der General von Unruhen im Land?«
»Nein, aber von schweren Säuberungsaktionen. Er sagt, der Staatschef lässt Neuerungen zu, mit denen die Armee und der Geheimdienst nicht klarkommen. Er kämmt mit grobem Kamm den Geheimdienst durch. Kim Jong Il hat wohl das Gefühl, dem Volk entgegenkommen zu müssen. Und eine Hungersnot ist mal wieder amtlich; sie fragen, ob wir Mais liefern können. Einhundertfünfzigtausend Tonnen. Mein oberster Vorgesetzter ist stinksauer, habe ich gehört. Weil die Nordkoreaner immer noch ihre alten Verbindungen spielen lassen, am Ende aber keine Rechnung bezahlen. Du hörst von mir, wenn ich mehr weiß. Sonst noch etwas?«
»Ja. Bitte lasst alles zusammentragen, was ihr über einen Nordkoreaner mit Namen Il Sung Choi wisst; angeblich ein mächtiger Mann.« Krause buchstabierte noch einmal den Namen. »Vielleicht ist das eine schwache Spur.«
»Moment, Il Sung Choi kenne ich. Der kommt immer mit dem Geliebten Führer. Eine Art hochrangiger Berater. Ich schaue nach, was wir dahaben. Auf mich wirkte der immer wie Machiavelli, ein bisschen verkniffen und unheimlich. Ich schicke dir rüber, was wir haben. Aber ohne Quellenangabe.«
»Ich danke dir, mein Freund.«
Nur wenige Sekunden später meldete sich Sowinski auf einem internen Apparat. »Wir haben ein Echo auf Anfragen. Kann ich kurz vorbeikommen?«
Als er bei Krause im Zimmer stand, wirkte er erschöpft, was bei ihm selten vorkam.
»Wann hast du denn zum letzten Mal geschlafen?«
»Meinst du richtig geschlafen?«
»Ja, das meine ich.«
»Das muss eine Woche her sein, denke ich. Meine Frau sagte bei meinem letzten kurzen Besuch zu Hause, ich könnte inzwischen bei einem Gruselfilm mit sämtlichen furchtbaren Geschöpfen der Nacht mitspielen.«
»Was hast du entdeckt?«
»Archie Goodwin ist auf den ersten Blick nicht zu fassen, wird noch untersucht. Der Mann ist buchstäblich ununterbrochen unterwegs, und wenn er mal wieder in Washington einfällt, trifft er bis zu zwanzig Leute an einem Tag. Aber diese Nancy, die haben wir jetzt identifiziert. Anhand des Fotos, versteht sich. Es muss sich um die Regierungsdirektorin Blanche de Goodelang handeln, Alter nicht genau zu fassen. Meistens ist sie neunundfünfzig – also das ist sie besonders oft -, dann wieder fünfundsechzig, dann dreiundsechzig. Ihr Bewegungsmuster ist ziemlich klar, aber auch umfangreich. Sie trifft Geldleute und Industrielle, und in Washington wird sie als weißer Rabe bezeichnet. Das heißt auf gut Deutsch, sie trifft besonders gern reiche und einflussreiche Menschen, und immer steht sie im Rücken eines Milliardärs und flüstert ihm irgendetwas ein. Sie ist seit gut dreißig Jahren beim Geheimdienst angesiedelt. War eine Zeit lang bei den Drogenleuten von der DEA und bei der CIA. In Kolumbien hat sie angeblich mit einem Kokaingroßdealer zu tun gehabt. Man hat ihr nachgesagt, dass sie mit ihm schläft. Und das, während gleichzeitig schwer bewaffnete Horden der CIA diesen Mann jagten und ihn töten sollten. Dieser Vorfall markierte einen Knick in ihrer Karriere, aber da der Mann erfreulicherweise ein paar Tage später von Unbekannten auf offener Straße erschossen
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