Bruderdienst: Roman (German Edition)
»Also gut. Ich habe sie nach Shenyang gefahren. Das ist eine große Stadt ziemlich nah an der nordkoreanischen Grenze.«
»Wen hast du gefahren?«
»Nancy, Silverman und den Larry. Das heißt, ich habe sie nicht selbst hingebracht, sondern bin allein dorthin gefahren, und sie kamen dann in einem schnellen Auto hinterher. Aber das war nicht am 29. April, das war am 3. März.«
»Wie lief das ab?«, fragte Svenja atemlos.
»Also, ich bin hin. Als Treffpunkt war ein großer freier Platz im Westen der Stadt ausgemacht, etwas außerhalb, so eine Art planierter Bauplatz. Gegen Abend kamen sie angefahren. Nancy, Silverman und Larry. Sie waren gut gelaunt und machten ihre Scherze. Etwas später kamen zwei Männer dazu, Koreaner, in einem schwarzen Mercedes mit Fahrer. Sie hatten kein Nummernschild dran, auch keine behördliche Erlaubnis an der Windschutzscheibe, einfach gar nichts. Mein Truck war hinten offen. Ich hatte Sessel auf der Ladefläche festgeschraubt und einen kleinen Tisch. So war der Auftrag. Und es gab eine kleine hölzerne Leiter, damit sie hineinklettern konnten. Dazu noch viel Licht, damit sie nicht im Dunkeln sitzen mussten, und Snacks und Getränke. Dann habe ich den Laden zugemacht. Sie haben eine kleine Konferenz abgehalten. Dauerte ungefähr sechs Stunden. Dabei haben sie Whisky getrunken. Dann fuhren die beiden Koreaner ab, und die drei setzten sich wieder in ihr Auto und fuhren heim nach Peking.«
»Waren sie auch noch guter Laune, als sie abfuhren?«
»Oh ja. Nancy machte wieder mal einen ihrer blöden Witze.«
»Welchen denn?«
»Ich solle doch den Truck so lassen. Es fehle nur noch ein großes Bett und ein paar Flaschen Champagner. Das Übliche eben. Sie ist in der Beziehung einfach zwanghaft, da kann man nichts machen.«
»Kanntest du denn die Koreaner? Hattest du sie vorher schon mal gesehen?«
»Einen der beiden kannte ich. Der war Mitglied einer Regierungscrew, als sie mit ihrem Vorsitzenden hier in China waren. Er heißt Il Sung Choi, aber das sagt dir wahrscheinlich nichts. Hier waren Fotos in allen Zeitungen. Er muss ein hohes Tier im Politbüro sei, oder wie das in Nordkorea heißt.«
»Fotografiert hast du ihn aber nicht.«
»Nein, habe ich nicht. Nur meinen Truck habe ich fotografiert, mit der Sitzgruppe und der Stehlampe. Wenn du das gern sehen möchtest …«
»Nur zu gern. Noch was, du solltest dein Handy wechseln«, sagte sie. »Man weiß nie …«
»Alles klar«, beruhigte er sie. »Jedes Mal, wenn wir zwei sprechen, lasse ich ein neues installieren, lege das alte unter den Hammer und schmeiße es dann weg. Das habe ich bei den Spionen gelernt. Ich schicke dir die Rechnung.«
»Mach das. Und mail mir das Foto. Du bist wirklich eine tolle Nummer.«
»Danke«, schnurrte er. »Verbindlichsten Dank. Chinas Bester. Und jetzt muss ich weiter. Mach es gut.«
Svenja rief bei Esser an und erklärte: »Ich habe was.«
Als sie mit ihrem Bericht geendet hatte, sagte Esser mit einem hörbaren Lächeln: »Bingo, die Kandidatin gewinnt ein Wasserschloss am Niederrhein.«
»Ach, ich hätte lieber zwei Freikarten für das nächste Wunschkonzert der Volksmusik. Mein Verlobter und ich lieben Hansi Hinterseer.«
Esser blieb ihr eine Antwort schuldig.
Um 19.45 Uhr kam der Anruf, mit dem Krause ganz fest gerechnet hatte.
»Mister Goodwin ist auf Leitung drei«, sagte seine Sekretärin.
»Bitte mitschneiden«, wies Krause sie an.
»Hallo«, meldete sich Archie Goodwin aufgeräumt, als lebe er in einer Welt ohne Probleme. »Immer noch nichts Neues? Ich hatte gehofft, dass ihr längst den Stein der Weisen entdeckt habt.«
»Das wüsstest du doch vor mir«, scherzte Krause.
»Ist dein Charlie heil wieder an Land gegangen?«
»Ja ist er. Und dann ist er im Hotel in Seoul von Männern angegriffen worden, von denen einer angeblich für euch arbeitet.«
»Das wüsste ich doch!«, antwortete Goodwin defensiv und in augenblicklich schlechterer Stimmung.
»Hat der Mann aber behauptet. Er hat gesagt, er wäre ausgeliehen an die Freunde aus Südkorea.«
»Falls du das schriftlich vorliegen hast, bitte ich um ein schnelles Fax. So etwas gibt es doch gar nicht. Und wie heißt dieser Vogel?«
»Felix Downing. Stand in seinen Papieren, meine ich. Alter dreiundvierzig, geboren in, Moment bitte«, er raschelte mit einem Blatt Papier, »New York. Mein Charlie, du weißt schon, hat ihn ein wenig ermahnen müssen und auf die Bretter geschickt, weil er sich unbedingt prügeln wollte. Wenn es
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