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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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nicht gern hörst. Dein Bruder, dieser mächtige Mann, hat mit der CIA über eine Atombombe gesprochen. Im März des vergangenen Jahres in einer chinesischen Stadt.«
    Kim sah ganz schnell zum Fenster, machte dabei mit dem Kopf eine ruckartige Bewegung. »Ich habe das schon geahnt«, sagte er tonlos. »Und er wollte Nordkorea verlassen? Deswegen?«
    »Das weiß ich nicht. Wäre aber sehr einleuchtend und logisch, oder? Und wir müssen darüber reden, verstehst du?«
    »Das wird schwer«, sagte er. »Das ist ein sehr langer Traum.«
    »Ein Albtraum?«
    Kim nickte stumm.
    Müller rief Svenja an und sagte: »Ich bin in Berlin. Aber ich brauche noch zwei, drei Stunden.«
    »Ja, klar. Aber du bist endlich da, und das wurde auch verdammt Zeit.«
    »Da hast du allerdings recht.«
     
    Das Erstaunliche war, dass er seinen alten Golf auf Anhieb entdeckte, ohne lange überlegen zu müssen, wo er ihn abgestellt hatte. Während der Fahrt erklärte Müller Kim, dass sie in einen Stadtteil fahren würden, der Kreuzberg hieß. »Mehr Türken als Deutsche, mehr Kasachen als Deutsche, ein richtig schönes Viertel. Und ich glaube, auch mehr Serben als Deutsche. Und du musst dir unter allen Umständen die Adresse des Dienstes merken. Gardeschützenweg. Kannst du das wiederholen?«
    Kim knautschte etwas vor sich hin.
    »Noch einmal: Gardeschützenweg! Oder kannst du Be-en-de sagen? Das ist die Abkürzung für die Behörde, in der ich arbeite. Be-en-de, versuch es mal.«
    Kim versuchte es. Er gab eine Folge komischer Laute von sich. »Warum muss ich das wissen?«
    »Weil es wichtig werden kann, dass du es weißt!«, sagte Müller scharf. »Du schmeißt dich in ein Taxi und sagst: Be-en-de. Okay?«
    Und Kim sagte strahlend und deutlich: »Be-en-de, Gardeschützenweg.«
    »Blödmann!«, sagte Müller, und sie lachten.
    Müller fand die Straße auf Anhieb. Es war eine ruhige Straße, das Haus ein moderner, sechsstöckiger Betonklotz mit einer unendlichen Folge gerader Linien und rechter Winkel, aber immerhin mit zwei Bäumen davor.
    »Da wären wir«, sagte Müller, ging voran und schloss die Haustür auf. Es gab einen Lift, und er sagte: »Du wohnst ja richtig vornehm.« Dann die Wohnungstür im sechsten Stock. »Rein mit dir!«
    Die Wohnung war sehr hell, die Einrichtung schlicht, aber nobel. Es gab ein Bad, eine kleine Küche, ein großes Schlafzimmer und einen ebenso großen Wohnraum. Überall freundliche Farben.
    »Das geht doch nicht«, sagte Kim. »Für eine Person!«
    »Doch, das geht«, sagte Müller und lächelte bei dem Gedanken an seine eigene dunkle Bude.
    »Und wahrscheinlich gehört dazu noch ein eigener Keller.«
    »Der Keller reicht auch …«, sagte Kim.
    »Kein Wort mehr«, sagte Müller barsch.
    Kim öffnete die Tür zu dem kleinen Balkon und stellte sich an die Brüstung, um lange und sehr konzentriert die Straße zu betrachten. Als er ins Zimmer zurückkehrte, fragte er: »Gibt es hier bei euch einen Platz für Nordkoreaner?«
    »Nein, sicher nicht«, antwortete Müller.
    »Ich habe mal gehört, dass in Amsterdam viele Koreaner sind.«
    »Das kann gut sein. Große Hafenstadt, alte Verbindungen nach Fernost.
    Du siehst da das Telefon. An dem ist ein Schildchen, darauf steht die Nummer. Ich schreibe dir noch zwei, nein drei Nummern auf einen Zettel. Die erste Nummer ist die meiner Behörde, die zweite Nummer ist meine, die dritte ist die einer guten Freundin. Ich muss jetzt los, ich muss dringend duschen, den ganzen Dreck abwaschen, frische Klamotten anziehen. Aber ich komme wieder.«
    »Ja.« Kim nickte sehr ernsthaft.
    »Und wenn es an der Tür klingelt, machst du nicht auf, klar? Du reagierst überhaupt nicht! Da ist die Fernbedienung für den Fernseher. Es gibt auch englische Kanäle, CNN zum Beispiel.« Er dachte ein wenig verzweifelt: Einerseits ist er wie ein Kind, schon der leichteste Gegenwind könnte ihn umblasen. Aber er trägt auch irgendeine schreckliche Geschichte mit sich herum. Und wir haben immer noch nicht die geringste Ahnung, was er wirklich weiß.
     
     
     
    »Was haben wir in Sachen Glen Marshall?«, fragte Krause, der um 22.30 Uhr immer noch in der Behörde saß und gegen seine Frustration ankämpfte.
    »Eine Legende, die so stinklangweilig ist, dass es einen graust«, erklärte Esser. »Der Mann stammt aus Missouri, er ist der einzige Sohn eines Predigerpaares. Der Vater konnte die Familie nicht ernähren, landete erst im Gefängnis, später als Hilfsarbeiter auf einer Farm für Pelztierzucht,

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