Bruderdienst: Roman (German Edition)
küsste Svenja leicht auf den Mund und hielt sie beglückende zwei Sekunden an der Schulter fest. »Das ist Kim. Er berichtet gerade von seinem Bruder, den wir als Il Sung Choi kennen. Ein mächtiger und sehr brutaler Mann, wie Kim mir erzählt.«
»Hallo, Kim, ich bin Svenja. Herzlich willkommen in Berlin.«
»Es ist mir eine Ehre«, sagte er förmlich und sehr altmodisch, stand auf und neigte den Kopf. Dann fragte er: »Vielleicht willst du ein Glas Wein?«
»Ja, gern«, sagte sie und setzte sich in einen Sessel.
»Kim weiß sehr genau, wo alle Atomanlagen der Nordkoreaner versteckt sind«, sagte Müller, während Kim ein Glas Wein für Svenja eingoss.
»Es sind sieben«, bemerkte Kim.
»Und das Versteck der Bomben kennst du wahrscheinlich auch«, sagte Müller.
»Ja.« Kim nickte und stellte das Glas vor Svenja hin. »Die Straßen dorthin kenne ich natürlich nicht. Aber ich kenne die Namen der Berge.«
»Kann es nicht sein, dass man dich bewusst falsch informiert hat?«, fragte Svenja.
Kim lächelte. »Das glaube ich nicht, denn das haben mir ganz einfache Leute erzählt. Bauern zum Beispiel, die dort wohnen. Bergleute auch, Leute vom Bau, Soldaten. Und ich habe nie direkt gefragt, habe immer nur höflich zugehört.«
»Er ist ein guter Spion«, sagte Müller lächelnd.
»Ich habe viele Wanderungen gemacht«, bemerkte Kim.
»Hat dein Bruder das nie bemerkt?«, fragte Svenja.
»Das glaube ich kaum. Er ist so mächtig, dass er für solche Dinge wie einen unbedeutenden Bruder kein Auge haben kann.«
»Aber du hast ihn gehasst«, überlegte Müller. »Du sagtest sogar, du warst besessen. Hast du nie Rache nehmen wollen? Hast du nie darüber nachgedacht, ihn zu töten? Hast du nie die Idee gehabt, ihm richtig Angst zu machen?« Müller setzte erklärend für Svenja hinzu: »Der Bruder machte die Ehefrau von Kim zu seiner Geliebten.«
»Das ist schlimm«, sagte sie betroffen.
»Ich habe schon daran gedacht, mich zu rächen. Ich habe daran gedacht, ihm Angst zu machen. Ich habe sogar ein Gewehr gestohlen, um ihn zu bedrohen. Ich wollte auch meine Frau bedrohen. Ich stellte mir vor, wie die beiden vor Angst verrückt wurden. Ich habe ja gesagt, ich wurde selbst allmählich verrückt.« Er sprach jetzt seltsam monoton, als ginge es um jemanden, mit dem er nichts zu tun hatte.
»Aber was hast du tatsächlich getan?«, fragte Müller.
»Gar nichts. Die Jahre vergingen, und eines Tages wurde meine Frau verhaftet und in ein Gefangenenlager gebracht. Sie wurde vor Gericht gestellt, weil sie ausländische Zeitungen und Magazine las. Man behauptete außerdem, sie habe mit Ausländern herumgehurt. Mit anderen Worten, er war ihrer einfach überdrüssig geworden, sie war für ihn zu alt und zu langweilig. Zwei Jahre später ist sie im Lager öffentlich hingerichtet worden, weil sie den Lagerkommandanten beschuldigt hatte, er ließe sich Frauen in sein Büro kommen, um sie zu vergewaltigen. Nach meinen Informationen haben tausend Menschen bei der Hinrichtung zusehen müssen. Manchmal denke ich, dass sie am Ende ihres Lebens vielleicht wieder zu der Person geworden war, die ich geliebt habe.«
»Das ist ja unerträglich«, Müller wirkte fassungslos. »Ich muss jetzt weg, aber ich komme so schnell wie möglich wieder. Ich beeile mich.«
»Ich habe gehört, dass du auch eine Tochter hast. Was passierte denn ihr?«, fragte Svenja so harmlos, als erkundige sie sich nach dem erfreulichen Werdegang eines Sprösslings vom netten Nachbarn. Müller erstarrte. Und war mehr als verwundert, als Kim jetzt auf die Frage antwortete.
»Als meine Frau starb, war meine Tochter sechzehn. Und zwei Jahre später wohnte sie plötzlich in der Wohnung, in der schon meine Frau gelebt hatte. Und mein Bruder besuchte sie ziemlich häufig.«
»Ich bin dann mal weg«, sagte Müller irritiert und sprang auf. Er war tatsächlich erleichtert, als er aus dem Haus trat. Er nahm einen tiefen Atemzug und winkte ein Taxi heran.
»Der Raum ist fertig ausgerüstet«, sagte Esser. »Sie sollten diese Einweisung lesen, dann kriegen Sie einen roten Faden. Sie sprechen mit ihm wie gehabt als Doktor Dieckmann, Sicherheitsberater der Regierung. Viel Glück.«
»Und wo erwische ich ihn?«
»Er ist auf Barbados, er hat da ein Häuschen. Das Foto dieses Hauses habe ich daran geheftet, damit Sie Ihren Sozialneid gebührend pflegen können. Wenn wir ihn haben, klingelt es bei Ihnen.«
Es war schwierig, sich jetzt auf Ben Wadi einzustellen, weil
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