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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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unvermittelt auf, warf dabei seinen Stuhl um. Er stützte beide Hände auf die Tischplatte.
    Noch immer sprach niemand ein Wort.
    Kim versuchte, Krause anzusehen, aber es fiel ihm schwer, sein unsteter Blick schweifte immer wieder ab. Dann blieben seine Augen an Müller hängen. Und der lächelte ihn jetzt an, als wolle er sagen: Man kann über alles reden!
    Langsam wich die hohe Spannung aus Kims Körper, er atmete ein paarmal tief durch, nickte mit geschlossenen Augen. Dann drehte er sich um und hob seinen Stuhl wieder auf. Er setzte sich hin.
    Nach weiteren langen Minuten des Schweigens sagte er leise: »Sie werfen mich in ein Gefängnis, Sie können mich töten. Sie können mich nach Nordkorea zurückbringen.«
    »Niemand will Sie ins Gefängnis stecken, und niemand will Sie töten«, sagte Krause. »Und Nordkorea braucht Sie nicht mehr. Ich denke, der Internationale Gerichtshof in Den Haag wäre kaum bereit, sich mit Ihnen zu beschäftigen. Auf jeden Fall kann ich Ihnen in aller Aufrichtigkeit versichern, dass niemand hier in diesem Raum Sie verurteilen wird. Wir wissen, wie Sie gelebt haben, und das war Strafe genug.« Er lächelte. »Würden Sie jetzt bitte so freundlich sein und uns schildern, wie es geschah?«
    Bei dem letzten Satz kam Kims Kopf ruckartig hoch und fixierte Krause. Er suchte nach Ironie, nach Spott, nach Sarkasmus, fand aber nichts.
    »Ich kann es versuchen. Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen?« Es klang erstaunlich sachlich.
    Krause zuckte nur mit den Achseln und erwiderte nichts.
    »Also, es ist richtig, dass mein Bruder mich anrief. Er rief mich mindestens fünfzehnmal an in den zwei Tagen vor meiner Flucht. Und, wie gesagt, er rief mich natürlich im Büro an. Er eröffnete das erste Gespräch mit der Frage: Wollen wir sie mitnehmen? Was hältst du davon? Ich war mehr als erstaunt über diesen Anruf, und seine Frage lähmte mich, ich wollte einfach nicht glauben, dass er so niederträchtig war. Natürlich wusste ich sofort, wen er meinte. Ich fing an zu schreien, ich brüllte, er solle sein dreckiges Maul halten. Das war einfach zu viel. Ich legte den Hörer auf. Und natürlich hatten meine Kollegen mich toben hören, und natürlich gingen alle Köpfe hoch. Es war mir sehr peinlich. Nach etwa fünf Minuten meldete sich mein Bruder erneut. Er sagte sinngemäß: Wenn wir sie mitnehmen, hat sie eine Zukunft, hier ist sie am Ende. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich es ausdrückte, aber ich sagte Nein. Und ich sagte, er solle von uns niemals mehr als wir sprechen. Das sei noch nie so gewesen. Dann unterbrach ich erneut das Gespräch. Ich saß da und zitterte am ganzen Körper und versuchte, mich zu beruhigen. Er rief wieder an. Er sagte: Wenn wir sie mitnehmen, haben wir es leichter, weil sie so schön ist. Ich kenne das Ausland, ich weiß, dass es so ist. Ich hatte mich wieder einigermaßen im Griff, ich zitterte nicht mehr. Ich sagte: Du willst meine Tochter mitnehmen, um etwas für dein Bett zu haben. Und du willst sie mitnehmen, um sie im Notfall in ein anderes Bett zu verkaufen. Ich sagte: Du bist ein ehrloser Mann, du bist das Böse in Person. Ich sagte wohl auch: Du bist so viel wert wie Rattenscheiße. Und: Unsere Eltern würden sich schämen für dich. Ich hatte ganz plötzlich keine Angst mehr vor ihm. Ich weiß nicht, warum, aber es war so. Ich war irgendwie befreit. Ich brach das Gespräch erneut ab, und natürlich rief er erneut an. Ich glaube, meine ganze Abteilung saß nur noch da und starrte mich an. Aber das war mir inzwischen völlig egal. Er sagte, er könne mich mitnehmen, er habe genug Geld. Er sagte, man habe ihm mehrere Millionen Dollar hinterlegt. In den USA. Das würde für uns beide reichen. Ich sagte: Kein Interesse und legte auf. Und natürlich rief er wieder an, und ich sagte sofort, dass es keinen Sinn habe, weiter anzurufen, denn es gebe nichts, was wir gemeinsam tun könnten. Dann fragte er mich, ob ich irgendetwas über ihn gesammelt hätte. Man habe gemunkelt, dass ich Material sammle. Ich weiß nicht, warum ich es überhaupt zugab, aber ich sagte: Ja, ich habe Material gesammelt. So viel, dass kein Mann im Parteivorstand dir noch die Hand gibt, wenn das bekannt wird. Er sagte: Wenn du mir das Material gibst, mache ich dir keine Schwierigkeiten mehr. Und an dieser Stelle, daran erinnere ich mich genau, fing ich an zu lachen. Er könne mir nicht die geringsten Schwierigkeiten machen, sagte ich. Und: Mit dir bin ich fertig …«
    »Verstehe ich das

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