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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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wenn man das so formulieren will. Kim soll es doch gemütlich haben.«
    »Sieh mal einer an«, bemerkte Müller grinsend.
    Sie werkelten eine Weile im Konferenzzimmer herum, stellten sämtliche Blumen und Grünpflanzen auf, die sie entdeckten, verbargen die Aufnahmetechnik dahinter und dimmten das Licht so weit herunter, dass der Raum richtig anheimelnd wirkte.
    Svenja kam mit Kim im Schlepptau, und sie wirkten beide gelöst. Sowinski ließ gar nicht erst Unsicherheit aufkommen und erklärte leutselig auf Englisch: »Ah, Mister Kim. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Sie sind unser wichtigster Mann, und wir wollen uns ein wenig mit Ihnen unterhalten, weil es noch einige Unklarheiten gibt.«
    »Hier sind nur Leute, denen ich vollkommen vertraue«, setzte Müller schlicht hinzu. »Sie sind keine Vernehmer wie die anderen, die du nicht mochtest.«
    »Ja«, Kim lächelte, »das ist gut.«
    Esser tauchte plötzlich auf seine irritierend lautlose Art aus den Tiefen des Hauses auf und fragte: »Was findet hier statt?«
    »Eine Talkshow«, antwortete Svenja wiederum auf Englisch. »Das ist Mister Kim, inzwischen so etwas wie ein Freund.«
    »Ja«, nickte Kim. »Ich freue mich.«
    Dann stand unvermittelt ein Pförtner in der Tür und balancierte einen Turm Pappkartons und Salatschälchen vor dem Bauch.
    »Das ist wunderbar!«, sagte Sowinski beglückt und eilte dem Mann zu Hilfe.
    Wenig später, als die Pizzen verteilt waren und alle vor sich hin mampften, kam Krause hinzu und begrüßte Kim sehr herzlich in makellosem Englisch. Er sagte, er bedanke sich für all die Mühe, die Kim sich mache, und er danke ihm auch für das Vertrauen, das er Charlie entgegengebracht habe. Ganz besonders bewege ihn, dass Kim die weite Reise auf sich genommen habe, um ihnen zu helfen, einen traurigen Tatbestand zu klären. Dann sagte er wörtlich: »Wie Ihnen Charlie bereits sagte, stehen wir zu unserem Wort. Wenn Sie zurückwollen nach Südkorea, weil Ihnen unglücklicherweise Ihr eigenes Land verschlossen bleibt, dann lassen Sie es uns einfach wissen. Dann begleitet Charlie Sie wieder zurück. Und der BND wird dafür sorgen, dass Sie ausreichend Geld haben, um sich eine Existenz aufzubauen.« Er lächelte. »Und Sie haben im Übrigen ja auch die nette Summe, die Ihr Bruder Ihnen zugedacht hat.« Nach dieser kleinen Einleitung wandte er sich an Svenja und bat um ein Stück Pizza. Und während er es vertilgte, plauderte er ohne Unterbrechung mit Kim, er praktizierte reinsten Small Talk, obwohl er normalerweise keine Gelegenheit ausließ, zu betonen, dass er das nicht beherrsche und nichtssagende Wortbeiträge zutiefst verabscheue.
    Von diesem Zeitpunkt an war klar, dass Krause das Gespräch führen und keine Einmischung dulden würde. Es war seine Show, wie Archie Goodwin es genannt haben würde.
    »Wir kennen nun schon einen Teil Ihrer Geschichte und wissen, dass Sie viele Jahre unter starkem Druck lebten, dass Sie schwerste Demütigungen und Verletzungen ertragen mussten. Die Machenschaften von Il Sung Choi kann man nur als infam bezeichnen, und sie wären auch schon furchtbar genug, wenn er nicht noch obendrein Ihr Bruder wäre. Sie haben gesagt, wahrscheinlich seien Sie der Schwachpunkt Ihres Bruders. Was genau haben Sie damit gemeint?«
    Kim hatte die Hände auf der Tischplatte liegen, reglos. »Schon als Kind hat er immer versucht, besser zu sein als ich, die größere Portion vom Essen zu bekommen und mir möglichst zu schaden. Ich war zum Beispiel eines Tages gerade damit beschäftigt, auf dem Schuppen meiner Eltern ein Brett auszutauschen. Als ich auf der obersten Sprosse der Leiter stand, trat mein Bruder unten so stark dagegen, dass die Leiter umfiel. Ich stürzte herunter und brach mir beide Beine. Mein Bruder hat nie ein Wort darüber verloren. Er war mir unheimlich, denn er war zuweilen grundlos böse, und deshalb habe auch ich damals geschwiegen. Ich habe inzwischen viel darüber nachgedacht. Vielleicht war ich für ihn so etwas wie sein nicht vorhandenes Gewissen.«
    »Er hat jahrzehntelang keinen Kontakt zu Ihnen gesucht, warum?«
    »Ich vermute, es war in seiner Position von Vorteil, kein Gewissen zu haben, oder?«
    Niemand lachte.
    »Mein Vater war ein sanfter Mann«, fuhr Kim fort. »Er hatte ein Gewissen, und für ihn war ein gutes Gewissen notwendiger Teil des Lebens. Er betonte das häufig, das kann mein Bruder nicht überhört haben.«
    »Und warum hat er dann ausgerechnet in der Zeit kurz vor seiner Flucht Kontakt

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