Bruderdienst: Roman (German Edition)
ich muss mal telefonieren.« Sie ging hinüber ins Schlafzimmer. Zuerst versuchte sie es bei Krause. Der meldete sich nicht. Dann ging sie über eine operative Leitung, und Esser fragte: »Was ist denn?«
»Als Kim Nordkorea verließ, hat auch sein Bruder Nordkorea verlassen.«
»Kein Zweifel?«
»Kaum, würde ich sagen. Es passt in die Geschichte, und es passt zu der Bombe. Das ist perfekt.«
»Es gibt keine perfekten Geschichten«, stellte Esser lakonisch fest.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
Sowinski war am Apparat, er sagte: »Kim hat gerade herausgelassen, dass sein Bruder wahrscheinlich zum gleichen Zeitpunkt Nordkorea verließ wie er selbst.«
»Sieh mal an.«
»Svenja ist in einer Stunde hier, und sie bringt diesen Kim mit«, erklärte Sowinski. »Die Bänder von ihrem Gespräch mit Kim sind schon per Kurier hierher unterwegs. Müllers Bänder sind bereits im Haus.«
»Sieh mal an«, wiederholte Krause.
»Wir haben angenommen, dass du mit ihm sprechen willst beim jetzigen Stand der Dinge und dich vorher über alles bisher Gesagte informieren willst. Wer dich kennt, findet diese Entscheidung überaus schlüssig.«
»Aha«, bemerkte Krause lächelnd. »Ja gut, dann wollen wir mal. Wie sollen wir vorgehen?«
»Wir sollten alle dabei sein«, erklärte Sowinski mit großer Selbstverständlichkeit. »Wir haben das Ding bis hierhin geschaukelt und wir wüssten gern, was dabei herauskommt. Und du betonst ja selbst ein-, zweimal im Jahr, dass du nur informierte Mitarbeiter um dich haben willst.«
»Das stimmt auch. Schickst du mir alle Unterlagen und die Bänder in mein Zimmer? Und wo ist Müller?«
»In seinem Büro. Er sitzt an seiner Zusammenfassung.«
»Das kann er erst einmal aufschieben. Ich werde nicht länger als eine Stunde brauchen, das meiste kenne ich ja schon. Dann rufe ich dich. Und noch etwas: Kann mir irgendjemand was zu essen besorgen? Mir ist schon ganz flau im Magen.«
Nach dem Gespräch mit Sowinski rief Krause bei seiner Frau im Krankenhaus an.
»Wally, wir sind gewissermaßen im Endspurt. Und es kann sein, dass ich zwei, drei Tage verreisen muss. Aber ich habe jetzt ein eigenes Handy nur für dich. Es ist blau. Ich rufe dich wieder an. Ich beeile mich und komme bald.«
An dieser Stelle muss bemerkt werden, dass seine Frau damals der einzige Mensch war, dem er mitteilte, dass er unter Umständen verreisen müsse. Für seine engsten Mitarbeiter kam Krauses Reisewunsch völlig überraschend. Und zwar erst einige Stunden später.
Sowinski eilte grübelnd aus seinem Büro. Das Sekretariat um etwas zu bitten, war nicht mehr möglich, denn er hatte schon alle nach Hause geschickt. Woher konnten sie schnellstens etwas zu essen bekommen? Pizza!, dachte er plötzlich, Pizza! Er rief am Haupteingang an und fragte, ob man ihm bei einer Pizzabestellung helfen könne. Und als sie antworteten, das sei wohl möglich, orderte er »Sechs Pizzen mit unterschiedlichem Belag, also von jeder Sorte eine. Und dann wären ein paar gemischte kleine Salate gut. Und noch Pizzabrot. Und das Ganze sollte in einer guten halben Stunde hier sein, bitte.« Geld werde er gleich vorbeibringen.
Sowinski machte sich auf den Weg hinunter zum Eingang und überquerte den Platz in Richtung Pförtnerloge. Er genoss die kühle Luft und war dankbar für ein bisschen Bewegung.
»Wenn das Zeug kommt, könnten Sie es dann bitte umgehend zu uns bringen? Sie retten uns damit vor dem Hungertod.«
Der Pförtner grinste, und Sowinski ging langsam zurück, leistete sich unterwegs sogar fünf Minuten auf einer Bank. Er steckte sich einen Zigarillo an, den er in seinem Schreibtisch unter unendlich viel Krimskrams entdeckt hatte und dessen Geruch ihn an die Jahre erinnerte, in denen er täglich zehn oder sogar zwanzig von diesen Dingern geraucht hatte. Als er feststellte, dass es ihm nicht einmal schmeckte, warf er den Glimmstängel auf den Rasen. Er konnte nicht mehr nachvollziehen, dass er es einmal genossen hatte, den Qualm in die Lungen zu saugen. Er erhob sich seufzend und ging zurück ins Gebäude.
Er öffnete die Tür zu Müllers Büro und fand ihn dort sehr konzentriert vor dem Computer sitzen und seine Sicht der Dinge aufschreiben.
»Sie können damit aufhören. Gleich kommt Svenja mit Kim. Wir wollen in Ruhe mit ihm sprechen. Und ich habe Pizzen bestellt, damit wir nicht umfallen.«
»Das ist sehr schön. Und was soll ich dabei tun?«
»Mir helfen, einen Konferenzraum umzuräumen und ihn ein wenig wohnlicher zu machen,
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