Bruderdienst: Roman (German Edition)
Feststellung, dass es unmöglich ist, die vierzig Millionen Container, die ständig auf Reisen sind, zu überprüfen. Das würde nicht einmal bei fünf Millionen Containern gelingen: Der entscheidende Punkt ist, dass die meisten Häfen auf der Welt keine automatische digitale Aufzeichnung der durchlaufenden Container haben. An jedem Container sind in der Regel zwei weiße Felder, auf denen in einem Zahlencode angegeben ist, woher er kommt, für wen er bestimmt ist, was er enthält und wem er gehört. Aber wenn keine Kameraaufzeichnung dieser weißen Felder möglich ist, machen Hafenmeister diese Arbeit mithilfe von Listen. Man muss jetzt einfach feststellen, dass die Nordkoreaner einen Container auf die Reise schickten, der bei einem ganz bestimmten Empfänger eintreffen soll. Nun muss man wissen, dass sich die Spur eines Containers sehr schnell verliert, wenn er irgendwo angelandet wird, dann die Ladung zum Teil ausgepackt und neue Ladung dazugepackt wird und der Container wieder auf Reisen geht. Dann ändern sich die Tafeln mit Eigentümern, Bestimmungen, Inhalt automatisch. Wenn ich das sehr geschickt anstelle, kann ich einen Container rund um den Globus schicken, indem ich vermeide, Häfen mit automatischer Anzeige anzulaufen, den Container zwei-, dreimal bei Mittelsmännern vorbeischicke, die ihn immer wieder verändern, was seinen Inhalt angeht, die aber die Bombe immer drin lassen. Ich weiß, es hört sich ein wenig abenteuerlich an, aber so könnte das laufen. Das heißt, die Möglichkeiten, diesen Container zu finden, sind minimal. Klar?«
»Klar«, sagte Krause. »Und die Waffe selbst?«
»Stell dir vor, du baust ein kleines, solides Stahlgerüst, in dessen Mitte du die Bombe an starken Federn einhängst. Die ist bekanntlich nicht größer als ein Fußball. Also nehmen wir eine Kiste, die eine Waschmaschine oder einen großen Kühlschrank aufnehmen kann, sagen wir zwei mal zwei mal zwei Meter. Um das Stahlgerüst mit der Bombe baust du zunächst einen Kasten aus bleibelegten Blechen. Der Kasten sorgt dafür, dass nicht die geringste Strahlung spürbar wird. Und um diesen Kasten herum baust du deine Holzkiste. Du musst jetzt nur noch Verbindungsleute in kleineren Häfen finden, die diese Fracht zunächst entgegennehmen und auf ihrem Weg entsprechend tarnen.«
»Das ist nicht gerade ermutigend«, sagte Krause. »Und wie kann der wahre Empfänger wissen, wann er den richtigen Container auf dem Hof stehen hat?«
»Ganz einfach. Der Absender hat irgendein Zeichen draufgemalt, meinetwegen das chinesische Zeichen für Gute Reise oder den Segen sämtlicher shintoistischer Geistesgrößen, was weiß ich.«
»Weshalb hocke ich eigentlich noch hier?«, fragte Krause bitter.
»Weil wir nicht aufgeben«, erwiderte Esser lächelnd. »Normalerweise sollte man annehmen, dass irgendjemand von den befreundeten Diensten eine brauchbare Spur hat, die wir dann gemeinsam verfolgen können. Aber da jeder Angst hat, seine Quellen preiszugeben, haben wir alle nichts. Geheimdienst vom Feinsten.«
Krause wollte gerade nach Hause aufbrechen, als Svenja in der Tür stand und sagte: »Wenn Sie mich jetzt nicht brauchen, lege ich mich für ein paar Stunden aufs Ohr.«
Genau in diesem Augenblick wurde ein Anruf von Müller durchgestellt. Seine Stimme klang monoton. »Ich habe den Mann. Er ist nackt, seine Kleidung ist gerissen wie Papier. Schuhe hat er keine, Strümpfe auch nicht. Er hat fünf Tage auf einer winzigen Felseninsel gesessen und sich von Blättern ernährt. Der Name stimmt, das Alter auch, aber er sagt ganz klar, dass kein Mensch ihn irgendwo erwartet oder mit seiner Flucht gerechnet haben kann. Er sagt, er ist nur rausgeschwommen zu unserem Boot, weil er sonst auf der Insel verhungert wäre. Er ist aus Pjöngjang und arbeitete im Transportministerium. Aber er hatte keine wichtige Funktion, und er kann sich absolut nicht vorstellen, dass irgendjemand auf der Welt mit ihm sprechen will. Er sagt, dass er überhaupt nichts Wichtiges weiß. Die Bombe habe ich noch gar nicht erwähnt.«
»Heißt das, dass wir Ihrer Ansicht nach den falschen Mann haben?«, fragte Krause.
»Todsicher«, hörten sie Müllers Antwort durch das starke Rauschen dringen. »Er ist ein total erkältetes, völlig verrotztes armes Schwein mit dem Blick eines Dackels.«
»Wie ist er denn auf die Insel gekommen?«, fragte Svenja.
»Auf dem normalen Fluchtweg. Er ist in der Gegend der nordkoreanischen Stadt Haeju zu einem Fischer ins Boot
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