Bruderdienst: Roman (German Edition)
Leute wie Wu und andere vor weit mehr als einem Jahr getan haben, weil sie möglicherweise in diesen Deal eingebunden waren. Rückpeilung, meine Liebe, heißt: Wann könnte dieses Geschäft angebahnt worden sein? Zwischen welchen Leuten? Was machen diese Leute heute? Und was haben die nordkoreanischen Behörden unternommen, um diesen Deal glatt über die Bühne zu bringen? Wahrscheinlich lief das alles bereits, als Sie in Nordkorea um Ihr Leben fürchteten. Deshalb wollen wir wissen, was hat Wu im April letzten Jahres gemacht? Rückpeilung heißt auch, dass ich genau wissen will, was diese Nancy in der US-Botschaft in Peking getan hat. Weshalb war sie überhaupt dort? Was hat dieser Larry angestellt? Was hat Silverman unternommen, wen hat er gesteuert und aus welchem Grund? Vielleicht wussten die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt bereits etwas. Möglicherweise sind sie auf etwas gestoßen.«
»Amen«, sagte Sowinski.
Krause lächelte Svenja an. »Haben Sie eine Handynummer von Wu?«
»Aber ja, natürlich.«
»Dann fragen Sie ihn, wo er im April vor einem Jahr war. Was er transportierte, was er unternahm. In der Zeit, als Sie Ihren Einsatz hatten. Und haben Sie den Mut, ihn nach der Bombe zu fragen. Ganz direkt. Das ist Rückpeilung. Wenn wir großes Glück haben, bekommen wir Antworten. Vielleicht.«
»Was ist mit Archie? Werden wir anrufen und sagen, dass wir den falschen Mann haben?«, fragte Sowinski.
»Auf keinen Fall, nicht ehe dieser falsche Mann hier vor mir sitzt«, entschied Krause.
Dann meldete das Sekretariat: »Mister Balkunian ist hier.«
»Na endlich.« Krause war erleichtert. »Wieso kommt der zu so einer Uhrzeit?«
ACHTES KAPITEL
Sie hatten jetzt eine lang rollende Dünung, und Nebel legte sich über die See. Das Boot tuckerte ins Ungewisse, und Müller stand am Bug und starrte missmutig in die blaugraue Watte. Noch immer verfolgte ihn die Angst, ein Schiffsbug könnte plötzlich aus diesem Niemandsmeer auftauchen, hoch wie ein Wolkenkratzer, und sie ohne jeden Laut in die Tiefe drücken. Einfach so.
Wahrscheinlich hatte der Skipper wieder seinen Holzstab in das Steuerrad gesteckt und fuhr geradeaus, wie er das nannte. Neben ihm stand der unrasierte Kim barfuß in seine dreckige Pferdedecke gehüllt und harrte der Wunder, die da kommen sollten. Und währenddessen sprachen die beiden ununterbrochen miteinander und lachten und hauten sich gegenseitig auf die Schulter, als seien sie uralte Freunde, die sich heute zufällig wiedergefunden hatten. Des Skippers fantastische Nudelsuppe aus der Dose hatte wohl Kims Leben gerettet. Aber er stank immer noch bestialisch und war nichts weiter als eine erbärmliche Gestalt, die irgendwo in diesem Meer auf sie gewartet hatte.
Warum hatte Krause Waffen angeordnet? Warum hatte er befohlen, zu packen, zu buchen, abzutauchen? Von wo drohte Gefahr? Wer konnte an einem Mann interessiert sein, der beteuerte, überhaupt nichts zu wissen, nichts von Wichtigkeit jemals gewusst zu haben. Oder war das einfach eine perfekte Tarnung? War dieser Kim doch jemand anderer als der, der er zu sein vorgab?
Müller drehte sich zum Steuerhaus um und winkte Kim zu sich.
Und Kim kam herangetrottet, brav wie ein Hündchen und fröhlich lächelnd. In seiner Aufmachung wirkte er wie der Angehörige eines ganz besonderen, skurrilen Mönchsordens.
»Hör zu«, erklärte Müller auf Englisch. »Hast du gehört, dass dein Staatschef eine Atombombe verkauft hat? Hat dir das irgendjemand geflüstert?«
»Eine Atombombe?«, fragte Kim erschrocken.
Müller nickte.
»Nein, habe ich nicht gehört.«
Seine Aussprache war grauenhaft, aber er schien wenigstens einigermaßen zu verstehen. Und er hatte sofort begriffen, dass das mit der Atombombe kein Scherz war. »Nein«, wiederholte er. »Woher wollt ihr das denn wissen?«
»Von Leuten, die wissen, wovon sie reden«, antwortete Müller. Dann fand er sein überhebliches Auftreten mit einem Mal unangemessen und erklärte. »Es ist ein Gerücht, verstehst du.«
»Ich bin nicht politisch«, sagte Kim, als habe er etwas Grundsätzliches festzustellen.
Bleib sachlich!, dachte Müller. Treib ihn nicht!
»Wie sieht es bei euch mit der Versorgung aus?«
»Nicht gut«, antwortete Kim. »Es gibt Leute, die sagen, dass eine neue Hungersnot droht. In Pjöngjang geht es noch und für die Leute in den Ministerien ist es erträglich. Aber die Menschen in den kleinen Städten und Dörfern sind schlimm dran. Sie haben einfach nichts zu essen. Aber
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