Bruderdienst: Roman (German Edition)
wieder, und er fragte auch nicht, wie es ihr ging.
»Da freue ich mich«, sagte sie schwach und hustete.
Es war der sechste Tag und schon wieder nach achtzehn Uhr. Krause hatte das Gefühl, dass die letzten Tage sehr viel schneller als gewöhnlich vergangen waren. Die Zeit lief ihm davon.
Er saß an seinem Schreibtisch und fragte sich, wie er mit Archie Goodwin verfahren sollte. Er hatte den falschen Mann, das schien sicher. Goodwin hatte von einem Raketenfachmann gesprochen. Und dann diese merkwürdige Geschichte mit dem Sonderkommando der CIA in Peking. Was hatten diese Leute geplant, was davon hatten sie durchgeführt, und waren sie überhaupt erfolgreich gewesen? Schließlich noch Dehner, der steif und fest behauptete, dass alles im Fall des Koreaners Cheng mindestens nach rüdem Totschlag aussah.
Er seufzte tief und dachte, Sowinski hat recht, es fällt auf, wenn wir uns gar nicht rühren. Er rief im Sekretariat an und sagte: »Ich brauche Archie Goodwin. Das Ganze mit Aufzeichnung.« Dann hielt er kurz inne und setzte hinzu: »Aber vorher bitte noch das Krankenhaus, in dem meine Frau liegt. Und falls Moshe kommt, er hat höchste Priorität.«
Während er darauf wartete, mit dem diensthabenden Arzt verbunden zu werden, blickte er nach draußen. Es hatte zu regnen begonnen, und die Luft hatte sich bestimmt abgekühlt. Ein paar tiefe Atemzüge da draußen würden jetzt sicher guttun. Er fragte sich, was seine Frau wohl gerade machte. Konnte sie wieder klar denken, hatte sie Schmerzen?
»Melzer«, sagte eine Frau in einer angenehmen Altstimme. »Sie wollten sich nach Ihrer Frau erkundigen? Der geht es gut, sie ist schon raus aus der Intensivstation. Ein wenig Technik muss noch sein, aber sie ist bereits wieder in ihrem Zimmer. Ich denke, sie kann mit Ihnen sprechen. Moment, bitte.«
»Augenblick noch, Frau Doktor. Können Sie mir etwas über den Verlauf der Operation sagen? Kann man weitere Krebszellen ausschließen?«
»Die Operation verlief völlig reibungslos. Keine Komplikationen. Das Gewebe wird selbstverständlich histologisch untersucht. Aber wir rechnen nicht mit Überraschungen. Und Ihre Frau ist insgesamt in einer guten körperlichen Verfassung. Jetzt verbinde ich Sie mal.«
»Hallo«, meldete sich kurz darauf seine Frau mit ganz dünner Stimme.
»Ach, Wally«, sagte er dankbar. »Wie schön, dass du wieder an Deck bist. Hast du Schmerzen?«
»Nein, habe ich nicht. Aber sie lassen drei Infusionen laufen, und ich denke, es sind auch Schmerzmittel dabei. Wie geht es dir? Hast du was im Kühlschrank? Dass Moshe gekommen ist, hat mir richtig gutgetan. Aber er hatte so ein verkrampftes Gesicht.«
»Es geht ihm nicht gut. Er hat seinen Sohn verloren. Jetzt haben sie die Witwe und die Enkelkinder im Haus. Ich bin glücklich, dass wir uns haben.«
»Ja«, sagte sie nach einer Weile. »Und wann kommst du?«
»Morgen, wenn es dir recht ist. Eher kann ich nicht, Wally, meine Tage sind sehr lang. Aber wir können telefonieren. Ruf mich an, wenn du magst.«
»Und du hast die Toskana nicht vergessen?«
»Habe ich nicht«, versicherte er.
»Und Moshe kommt wieder mit?«
»Er fliegt noch heute Abend zurück, Wally. Du kennst doch unseren Beruf.«
»Ich will nicht, dass du dich totarbeitest.«
»Das will ich auch nicht. Und ich will unbedingt mit dir in die Toskana.« Er verabschiedete sich und unterbrach die Verbindung. Für ein paar Augenblicke starrte er gedankenverloren aus dem Fenster. Dann meldete er sich im Sekretariat und sagte: »Jetzt bitte zu Archie Goodwin durchstellen. Und Sowinski möchte zu mir kommen.«
Wenige Sekunden später kam Sowinski wie eine Kanonenkugel hereingeschossen und sagte erleichtert: »Müllers Verletzung scheint nicht lebensbedrohlich, das ist mal das Wichtigste.« Dann setzte er sich hin. »Wieso hast du eigentlich gerochen, dass es schwierig werden würde?«
»Manchmal ist das eben so«, sagte Krause. »Ich kann es nicht klar begründen. Ich denke, ich muss mich jetzt bei Archie Goodwin melden. Also los. Allgemeine Nachfragen und so, Austausch der Chefebenen und wie das ganze Zeug bei den Amis heißt.«
»Mister Archie Goodwin«, meldete das Sekretariat. »Er hat nur sehr wenig Zeit, er steckt mitten in einer Besprechung.«
»Her mit ihm!«
»Krause-Darling«, sagte Goodwin leutselig. »Wie ich dich kenne, kommst du jetzt mit einer kompletten Lösung für all unsere Probleme.«
»Du bist ein elender Schwätzer.« Dennoch konnte Krause nicht umhin,
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