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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Jetzt schuldest du mir etwas. Kannst du erzählen, wie du den General umgelegt hast?«
    »Ja, das kann ich. Wer hat es dir denn erzählt?«
    »Eine Bäuerin. Die lebt ziemlich abseits auf einem kleinen Hof. Ich bringe ihr manchmal Nudeln mit, wenn ich in der Gegend bin, weil sie sonst verhungert. Ihr Mann ist blind und kann nur im Herbst und Winter arbeiten. Er flicht Körbe, richtig schöne Dinger. Na ja, und sie ist Brennholz sammeln gegangen oder so etwas. Und kam dabei an diesem Stolleneingang vorbei. Es roch nach einem frischen Feuer, und sie hat nachgesehen. Und da lag der nackte General. Du musst gerade abgehauen sein. Wie ist das gelaufen?«
    »Ich wollte mit dem Mann rüber nach China. Du weißt schon, Cheng. Dann kam der General mit einer Pistole. Er wollte mit mir schlafen. Hat sich ausgezogen. Da habe ich ihm das Genick gebrochen und bin mit unserem Freund im Mercedes des Generals geflüchtet. Es lief gut, aber es war verdammt eng.«
    »Hast du Albträume davon?«
    »Nein«, sagte sie. »Habe ich nicht. Es war nur alles beschissen vorbereitet und nicht durchgeplant. Hätte mich fast das Leben gekostet.«
    »Ja, ja, Larry und seine heitere Jesus-Runde.« Er lachte ironisch.
    »Was soll das denn heißen?«, fragte sie verblüfft.
    »Ach, den Spitznamen habe ich für sie erfunden.«
    »Wieso gerade Jesus-Runde?«, fragte sie. »Klingt irgendwie lustig.«
    »Ist es aber nicht«, sagte er schnell. »Es ist sogar verdammt ernst.«
    Eine der uralten Regeln im Gewerbe der Spione besagt, dass die Quelle des Wissens niemals erkennbar werden darf. Jetzt war sie bereit, diese Regel über Bord zu werfen. Sie dachte kurz über Vertrauen nach und beschloss, dass Wu erwachsen und klug genug war, um ihm Vertrauen schenken zu können.
    »Wie lange hast du jetzt noch Zeit für mich?«, fragte sie.
    »Nicht mehr lange. Vielleicht zehn Minuten, höchstens.«
    »Sag mir bitte noch, wie lange diese Jesus-Runde in Peking dauerte.«
    »Drei Monate«, erwiderte er. »Sie nannten es Einsatzkommando, tauften sich selbst die blitzschnelle Truppe oder auch die Zauberer vom Dienst. Immer alles schrecklich übertrieben, weißt du.«
    »Aber wieso denn Jesus, um Gottes willen?«
    »Wir haben hier in Peking eine Baptistentruppe aus Texas. Sie wird geduldet, und in den Augen Pekings sind sie im Grunde lächerlich. Es sind Leute, hinter denen eine Menge Geld steht und die ernsthaft glauben, dass sie vom lieben Gott persönlich rekrutiert wurden, um China den Segen Gottes zu bringen und die Chinesen auf den einzig wahren Pfad der Tugend zu führen. Und Larry und Nancy und Silverman waren so etwas wie Apostel. Sie haben jeden Sonntag einen Gottesdienst hingelegt, der alles an Unterhaltung schlug, was in chinesischen Kanälen gezeigt wurde. Spontanheilungen zum Beispiel. Sie führten eine offensichtlich sterbenskranke Frau vor, die an irgendeinen schweren Muskelkrankheit litt. Sie erbaten den Segen Gottes für sie, und die Frau stand auf und schien scheinbar geheilt. Und fünf Minuten später saß dieselbe Frau hinter der Bühne und zitterte und kollabierte, wälzte sich vor Schmerzen auf dem Fußboden. Und dann starb sie. Ich habe das fotografiert, weil ich dachte: So eine furchtbare Schmonzette kriege ich nie wieder kostenlos geliefert.«
    »Hat dir irgendjemand aufgetragen, das zu fotografieren?«
    »Oh nein. Ich habe diese Kamera immer bei mir. Das war wirklich rein privat.«
    »Ich fasse es nicht.«
    »Es ist wahr, Sissy«, beharrte er.
    »Kannst du mir so ein Foto rüberschicken? Auf meinen Rechner? Sind da Nancy und Silverman und Larry drauf zu sehen?«
    »Ja, natürlich. Von diesem Gottesdienst muss es ganze Videos geben, denn der wurde ja live nach Texas gesendet.«
    »Ich will dich nicht in Bedrängnis bringen, und ich möchte nicht, dass du durch mich in Gefahr gerätst. Und ich heiße auch nicht Sissy Pistor, ich bin Svenja, und mein Vater war Japaner.« Wenngleich sie ein wenig hysterisch klang und sehr gehetzt, so war doch jede Aussage von ihr wohl überlegt.
    »Ich habe nicht eine Sekunde daran geglaubt, dass du Sissy heißt«, sagte Wu gelassen. »Ich lerne, ich lerne jeden Tag. Jetzt muss ich Schluss machen, ich bin spät dran. Ich schicke dir die Bilder, wenn du mir eine E-Mail-Adresse angibst. Nicht deine persönliche natürlich, sondern eine Maske.«
    »Warum tust du das?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung. Ich hatte mal eine Freundin, die denunziert wurde. Angeblich hat sie die Russen mit geheimem Material versorgt. Es

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