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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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verboten. Doch Hinners Stiefvater sagte man auch damals schon die allerbesten Kontakte nach, und so kümmerte es niemanden, dass die 15-Jährigen aus Bohlen, Holzlatten, Fenstern vom Sperrmüll und Teerpappe eine wetterfeste Hütte zimmerten, die sie mit einem Vorhängeschloss verriegelten.
    Die Hütte stand so schief wie damals, und ein Vorhängeschloss gab es auch immer noch. Ein matt glänzendes modernes Messingschloss, das erste Rostspuren angesetzt hatte.
    »Verschlossen.« Konrad sah mich feixend an.
    Ich lachte leise. Es gab immer einen Trick. Man musste ihn nur kennen.
    »Na los«, sagte ich. »Mach schon. Das verlernt man doch nicht.«
    Konrad grinste. »Ich weiß nicht, ob es klappt. Es ist mein erster Einbruch seit damals, und es soll auch heute Jungs geben, die keinen Spaß verstehen, wenn man ihr Eigentum beschädigt.«
    »Wir haben die älteren Rechte«, sagte ich.
    Er zog einen Leatherman hervor, klappte die robuste kurze Messerklinge auf, setzte sie zwischen Riegel und Holzbohlen und hebelte nacheinander vier Nägel aus, dann betraten wir die Hütte.
    Es gab keinen Strom, doch gleich neben der Tür hatte früher ein Tisch mit einem Einmachglas als Windlicht gestanden. Es stand noch immer eins dort, auch wenn ich bezweifelte, dass es das alte war.
    Konrad griff hinein und ertastete ein Feuerzeug auf einer dicken Stumpenkerze. Das Feuerzeug röchelte, als er das Rädchen mit dem Daumen drehte, und ließ dann eine winzige Flamme aufflackern. Ich zog vorsichtig die Kerze aus dem Glas, und Konrad führte den Docht zu der zuckenden Flamme, damit sie nicht ausging.
    Wir sahen uns um. Ruß und Qualm hatten die Holzbohlen der Wände dunkel gefärbt, zwei Wände waren mit dicken Lagen Zeitungspapier als Schutz gegen Wind und Kälte beklebt. In der Mitte stand der wacklige Küchentisch, den Hinner von seinem Großvater abgestaubt hatte. Die beiden Stühle hatte Charles beigesteuert. Das Korbgeflecht der Sitze franste an manchen Stellen aus, doch es hielt Konrads Gewicht, als er sich setzte.
    Ich trat zu dem kleinen, gusseisernen Ofen mit zwei Klappen und drei Ringen für die Feuerstelle. Daneben lag Zeitungspapier in einem Korb, Tannenzapfen und Holzscheite steckten in einem anderen. Ich schichtete das Papier mit Holz und Zapfen auf, wie ich es als Kind von Adam gelernt hatte, und zündete das Papier an. Es qualmte, dann loderte es auf, und die Flammen ergriffen die ersten Tannenzapfen.
    Es knackte und knisterte.
    Konrad sah mir schweigend zu. Er saß zurückgelehnt auf dem Stuhl, die Beine ausgestreckt, die Hände gegen die Kälte noch immer in den Jackentaschen. Ich ließ die Ofenklappe offen, setzte mich auf den Stuhl neben Konrad und sah in die Flammen.
    Konrad kam gleich auf den Punkt: »Also, was ist so wichtig, dass ich alles stehen und liegen lassen musste?«
    »Seit wann bist du verheiratet?«
    »Seit sechs Jahren«, sagte er. »Und meine Frau ist nicht sehr erfreut, dass ich das Geburtstagsfest meines Sohnes wegen einer alten Freundin verlassen habe. Deshalb sollte es etwas wirklich Wichtiges sein.«
    »Hast du von dem Mord gestern gehört?«
    »An dieser jungen Frau?« Er nickte. »Ja, solche Nachrichten verbreiten sich immer noch wie ein Flächenbrand.«
    »Jan soll Leo als ihren Mörder identifiziert haben.«
    »Wie denn das?«
    Ich zuckte die Achseln. »Sie haben Leos Foto gealtert und es ihm gezeigt.«
    »Wie alt ist Laurens Junge jetzt?«
    Ich sagte es ihm, und er schüttelte den Kopf.
    »Hat sich Leo jemals bei dir gemeldet?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Auch jetzt nicht?«
    Er rutschte auf dem Stuhl höher und setzte sich aufrecht hin. »Was soll das, Julie? In was willst du mich da reinziehen?«
    »Ihr wart Freunde.«
    »Nein«, sagte er, »waren wir nicht.«
    »Ihr wart in derselben Bande und dann zusammen im Gefängnis. So was schweißt doch zusammen.«
    »Leo hat Charles umgebracht. Damit war er für mich erledigt. Endgültig. Von mir konnte und kann er keine Hilfe erwarten, und das hat er immer gewusst.«
    »Was ist im Jugendgefängnis mit Leo passiert?«, fragte ich.
    Er runzelte unwillig die Stirn.
    »Jedes Mal bist du ausgewichen, wenn ich dich danach gefragt habe, aber jetzt will ich es wissen.«
    »Das weißt du doch längst«, sagte er. »Wer sonst, wenn nicht du?«
    »Wurde er dort von irgendjemandem vergewaltigt? Ist es das, worüber ihr nie sprechen wolltet? Vom Personal vielleicht?«
    »Nein, Julie, damit kann ich nicht dienen.« Er zögerte.
    »Konrad«, sagte ich, »ich sitze

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