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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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meiner Macht, mich Ihrer Treue zu
    versichern. Sollten Sie sich Ihrer Aufgabe anders entledigen, als sie es von Ihnen verlangt, müssen Sie weder meinen
    Bannfluch noch die ewige Verdammnis fürchten. Ich verlasse mich ganz und gar auf Ihr Gefühl für Anstand und Ehre.«
    »Ein großes Gefühl«, sagte Ross und ließ offen, ob seine
    Worte Wert- oder Geringschätzung bedeuteten. Er las seine
    Figürchen auf und steckte sie in einen wasserdichten Beutel aus Fischhaut. Ich nahm indessen die Briefe aus der Tasche, die für Mrs. Saville bestimmt waren. Ich erläuterte ihm seine Aufgabe und vertraute ihm das Päckchen an. Wiewohl ich
    seine Willfährigkeit nicht erzwingen konnte, bat ich ihn,
    niemandem von unserer Begegnung in Janalach zu erzählen, geschweige denn von unserem Gespräch.
    »Aber wer bist du?« fragte Ross. »Was bist du?«
    »Weil du willens bist, dafür zu sorgen, daß diese Briefe ihren Adressaten erreichen, will ich dir erlauben, sie zu lesen«, sagte ich. »Sie erklären, wenn auch nicht immer aufrichtig und
    einfühlsam, was ich an diesem trostlosen Küstenstrich nicht zur Sprache bringen will. Leben Sie wohl, Mr. Ross. Ich danke Ihnen im voraus für Ihre aufrechte Haltung in dieser wichtigen Angelegenheit.« Mit diesen Worten sprang ich in einen nahen Spalt und erklomm den Kamin, denn oben auf der Klippe
    wartete in einer Trutzburg aus Eis- und Gesteinstrümmern
    mein Herr und Gebieter.
    Ross blieb, wie ich beobachtete, eine Zeitlang wie
    angewurzelt stehen. Hatte ihn ein Tagtraum genarrt?
    Schließlich belehrte ihn das Päckchen, das er in der Hand
    hielt, eines anderen, und er kehrte gedankenverloren in die Gesellschaft von Menschen zurück.

    Wie ich Jahre später erfuhr, war Ross seiner Menschenpflicht nachgekommen. Auf dem Weg nach Kirkcaldy hatte er die ihm
    anvertrauten Briefe – nein, meine Abschriften derselben – Mrs.
    Saville ausgehändigt, einer Nachbarin der Godwins in
    Holburn. Später hatte Mrs. Saville Trost gesucht und sie einem Mitglied jener Familie überlassen, das sie entweder lesen und vernichten oder mit Billigung von M. I. Godwin & Co.
    veröffentlichen sollte.
    Ross hatte Waltons Schwester berichtet, er habe die Briefe von einem Riesen bekommen, der, wie er beim Lesen derselben festgestellt habe, der beschriebenen Kreatur zum Verwechseln ähnlich sah. Mrs. Saville, die gleich erkannte, daß die
    Handschrift eine gute aber unvollkommene Fälschung der
    Handschrift ihres Bruders war, verwarf die Darstellung des Schotten und hielt die Briefe für einen grausamen Streich. Vor langer Zeit schon war sie zu der schmerzlichen Überzeugung gelangt, daß ihr Bruder tot sein müsse. Was William Godwin*
    anging, der ›Enquiry Concerning Political }ustice‹ und den Roman ›Caleb Williams‹ geschrieben hatte, so konnte er sich weder dazu durchringen, jenes sonderbare Manuskript zu
    vernichten, das ihm seine zweite Frau, die einstige Mary Jane Clairmont, vorgelegt hatte, noch es zu veröffentlichen.
    Durch Zufall oder Nachlässigkeit gerieten die Briefe in die Hände der blutjungen Mary Wollstonecraft Godwin, eines
    äußerst intelligenten, eigenwilligen und energischen Mädels.
    Sie betrachtete Waltons Briefe als ein kabbalistisches
    Dokument von prometheischer Bedeutung. Noch bevor sie im
    Sommer 1814 mit dem verheirateten Dichter Percy Bysshe
    Shelley zum Kontinent ›durchbrannte‹, hatte sie sich geplagt, aus dem Material eine lesbare Geschichte zu machen. Nahezu vier Jahre später, nachdem sie meine Abschriften der Briefe bearbeitet und gekürzt hatte, ließ Mary nach weiteren
    Korrekturen seitens ihres Gatten zu, daß dieselben anonym in drei schmalen Bändchen erschienen, und zwar in dem wenig
    renommierten Verlagshaus ›Lackington, Hughes, Harding,
    Mavor & Jones‹.
    Manche Literaturhistoriker behaupten, dieser ›Roman‹ habe
    das Licht der Welt nur deshalb ohne Autorennennung erblickt, weil Mrs. Shelley befürchten mußte, bei ihren Kritikern auf schlichten Unglauben zu stoßen: Eine so blutjunge Frau
    konnte sich unmöglich eine derart brutale und abscheuliche Geschichte ausdenken. Andere meinen, sie habe ihren Namen
    nur deshalb unterschlagen, weil sie befürchtet habe, ihr Ruf als schonungslose und unorthodoxe, ja anarchistische Frau
    könne die Leserschaft kopfscheu machen und dem Absatz des
    Werkes schaden. Ich kenne einen simpleren Grund für die
    anonyme Veröffentlichung. Mrs. Shelley, wiewohl das
    Manuskript ihr gewisse ›erhellende‹ Veränderungen

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