Brüchige Siege
Tulipa. »Welches Team? Die Phillies.
Deine Möglichkeiten bei den Phils sind grenzenlos.«
Bingo. Gabby Stewart war leichter vom Short zu verdrängen
als Rizzuto bei den Yankees oder Pee Wee Reese in Brooklyn
bei den Dodgers. Trotzdem, lieber hätt ich mich den Japsen
ergeben als nach Philadelphia zu gehen, fast.
Ma und ich verließen die Cass-Villa, und ich tröstete mich
mit dem Gedanken, daß ich in Highbridge wenigstens nicht für
die Phillies spielen würde, sondern für die Hellbenders, ein
Team, das sich angeblich mit Klauen und Zähnen
hochkämpfte.
2
IM APRIL ‘43, ZWEI WOCHEN, bevor die Hellbenders ihre
reguläre Saison eröffneten, kam Jordan McKissic – für
jedermann in Highbridge Mister JayMac, wie ich später erfuhr
– in einem Pullmanwagen* nach Oklahoma gedampft. Er
wollte sich zwei Spiele der Red Stix ansehen, eines an einem
Samstag, eines am Dienstag darauf, um dann nach Georgia
zurückzukehren. Mister JayMac kam mit dem Zug, weil das
ODT* Vergnügungsfahrten untersagt hatte. Zwar hätte man die
Fahrt ohne weiteres als Geschäftsreise eines Scouts deklarieren können, doch es gab patriotische Politiker – wie die Schurken, die LaGuardia aufs Korn genommen hatte – die dem Profi-Baseball dieses Recht absprachen.
Dreiundvierzig war das Jahr, in dem das ODT den Major-
Leagues verbot, zum Frühjahrstraining in den Süden zu fahren.
Mit Ausnahme der Cardinals, die in St. Louis trainierten,
durfte nur noch östlich vom Mississippi und nördlich von
Potomac und Ohio trainiert werden. Schlauberger nannten das
die Landis-Eastman-Linie*, nach dem ersten Baseball-
Dezernenten und dem Burschen an der Spitze des ODT. Mister
JayMac war ein Wichtigtuer in der Musterungskommission des
Hothlepoya County unten in Highbridge. Er trug das Seine zur
nationalen Verteidigung bei, indem er auf Cadillac und
farbigen Chauffeur verzichtete und sich dem Dampf und
Kohlenstaub einer Lok und dem Gedränge im Personenzug
aussetzte.
In Tenkiller wohnte er dann in der Cass-Villa. Zu Gesicht
bekam ich ihn erst an diesem Samstag, als er mit Mama und
seinen Gastgebern in die offene Tribüne für die Belegschaft
von Deck Glider stieg. Er fiel auf unter diesem Publikum. Er
war fast sechzig – also zwei Jahre jünger als ich jetzt bin –
aber groß, fit und machte was daher. Weiß in Weiß gestreiftes
Frackhemd, altmodische Leinenhosen mit Bügelfalte und
purpurrote Hosenträger. Das Haar war eisengrau und an den
Schläfen und im Nacken kurzgeschnitten. Die melierte Locke,
die ihm in die Stirn fiel, erinnerte mich an den Flügel eines
Steinkauzes. Noch vom Short aus konnte ich den schrecklichen
blauen Schimmer in diesen Augen sehen; das Blau war
schärfer als das in Miss Tulipas Augen, es war ein Blau wie
von Saphirstaub, eingelagert in zwei verzinkte Kriegspfennige.
Er beobachtete mich von der Tribüne aus, mich und Toby
Watersong, Franklin Gooch und jeden anderen aus beiden
Teams. Wann immer ich konnte, sah ich zu ihm hin. Mister
JayMac war das ›Große Pokergesicht‹, das über dem
Gewimmel hockte, wie ein Richter am Obersten
Bundesgericht, geheimnisvoll und kalt. Forschend.
Ich spielte gut an diesem Samstag, Gott sei Dank, ich hatte
zwei Singles* und am Short gelang mir ein selbständiges
Double Play. Irgendwie hatte ich erwartet, Mister JayMac
würde nach dem Spiel herunterkommen und reden, mir
womöglich ein Angebot machen, doch er und die Elshtains
verschwanden. Kein Blick, kein Nicken. Vermutlich kehrten
sie schnurstracks zur Cass-Villa zurück. Auf der Tribüne sagte Mama, Miss Tulipa und der Colonel hätten das Team so
unterstützt und mir so viele Komplimente gemacht wie noch
nie zuvor, doch Mister JayMac wären kaum zwei Worte über
die Lippen gekommen.
»Einen höflichen Gentleman aus dem Süden hab ich mir
anders vorgestellt«, meinte Ma. »Der Mann hatte Augen wie
ein hungriger Wolf.«
Sonntags trainierten die Red Stix nie, und Mister JayMac
ging nicht mit den Elshtains zur Kirche. Am Montag dann
beobachtete er uns aus den Sitzreihen an der Third Base Line*, verfolgte jeden Wind Sprint*, jedes Pepper Game* und
registrierte jeden ungenauen Abtropfer*. Ich spürte, wenn er
mich aufs Korn nahm, ich spürte es ganz deutlich, es war wie
ein Frösteln. So ähnlich mußte sich eine hoffnungsvolle
Teilnehmerin an einem Schönheitswettbewerb fühlen.
Bei diesem Training verpatzte ich einen gemütlichen
Kullerball am Short, dann wollte ich den
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