Brüchige Siege
LaRaina. »Cäsars Weib.«
»Wenn du dir den Schuh anziehst.«
»Handelt nach meinen Worten und nicht nach meinen
Taten.« Miss LaRaina drückte die kaum angerauchte Zigarette im Aschenbecher aus und zerquetschte sie so gründlich, als
∗∗
wolle sie ihren Groll abreagieren.
»LaRaina«, sagte Mister JayMac.
Sie sah mich an. »Er kann es nicht ausstehen, daß ich
manchmal genauso verliebt bin in die neu importierten Spieler
wie er. Wohlverstanden: hypothetisch. Wie soll ich sagen, Daniel. Ich mag Männer. Ich bin noch jung. Meine Hormone sind aktiv.«
»Du hast schon viel zuviel gesagt«, sagte Mister JayMac wie
jemand, der sagt, daß der Regen nachläßt.
∗ Cäsars Weib meint hier Cäsars zweite Ehefrau Pompeja, von der er sich wegen ihres ›anstößigen‹ Verhaltens scheiden ließ.
∗∗ Preachers say, Do as I say, not as I do ist ein Ausspruch von John Seiden (1584-1654), einem englischen Historiker, Orientalisten und Politiker, der als Parlamentarier zweimal wegen Opposition gegen den König eingesperrt wurde.
»Onkel Jay weiß, was Hormone sind«, sagte Miss LaRaina.
»Auch wenn er im Trojanischen Krieg geboren wurde, die
seinen lodern mindestens zweimal die Woche in alter Pracht
und Herrlichkeit wieder auf.«
Ich wollte unbedingt raus hier. Ein Spaniel, der in einen
Familienstreit gerät, kriegt wenigstens einen Tritt in den
Hintern.
Darius setzte Miss LaRaina und Phoebe vor ihrem Haus in
Cotton Creek ab und fuhr Mister JayMac und mich nach
McKissic House.
Ich spürte nichts als Erleichterung, als ich zu Jumbo in die
stickige Mansarde kam.
»Guten Abend«, sagte er, dann las er weiter in Willkies One World. Und weil er das Buch nahezu ausgelesen hatte, kam bis zur Schlafenszeit kein Wort mehr über seine Lippen.
»Gute Nacht, Daniel.«
Ehrenwort, seither wußte ich sein Schweigen zu schätzen.
18
IN DER ZWEITEN JUNIWOCHE FUHREN wir nach Quitman und
Marble Springs und spielten guten Baseball.
Wir konnten allerdings keine Serie für uns entscheiden. An
jenem Sonntag teilten wir uns ein Doppelspiel gegen die
Seminoles, wobei wir das Eröffnungsspiel durch einen
Squeeze-Bunt* in der ersten Hälfte des zwölften Innings
verloren, der ihnen sage und schreibe einen Home Run
einbrachte. Wir waren vielleicht sauer! Im sogenannten
Nachtspiel liefen wir auf Hochtouren (sogenannt, weil die Sonne keine Chance hatte, unterzugehen) und verheizten sie
binnen neunzig Minuten mit drei zu null. Nach einem
erholsamen Nickerchen in dieser Nacht lauerten wir den
Strebern am Sonntag wieder auf.
Am Ende meiner ersten Tour standen wir vierzehn Siege zu
zehn Niederlagen. Weil Opelika und La-Grange wie besoffene
Irrenhausorchester gespielt hatten, lichtete sich der Endspurt.
Fürs folgende Wochenende stand ein Heimspiel gegen Eufala
auf dem Plan und eine lange Tour gegen die Orphans und
Gendarmes. Mir wurde heiß bei dem Gedanken. Siege bei
solchen Spielen hatten großen Einfluß auf die endgültige
Rangliste im Sommer.
Manche Profi-Ligen, einschließlich der großen Neger-Ligen,
zogen jetzt eine geteilte Saison vor, weil bei ihnen die Spieler nun mal öfter wechselten als bei den beiden großen weißen
Ligen. Am Sommerende gingen sie mit zwei Anwärtern, einem aus der ersten Halbsaison und einem aus der zweiten, in ein
Stechen, um den eigentlichen Champ zu ermitteln. Mister
JayMacs Philosophie für die Kriegszeit – und sein Wort hatte
Gewicht in der CVL – war simpel: Da kein Team nach
Spielbeginn mehr als ein halbes Dutzend Neuzugänge hatte,
sollten wir eine ganze harte Teilsaison mit diesen Jungs an
Bord durchziehen. Wäre ein Team ›ausgebrochen‹, hätte das
Zuschauerinteresse nachlassen können, doch diesen Sommer
lagen wir ziemlich Kopf an Kopf und waren in den
Hundstagen reichlich auf Achse. So daß die Fans nicht
absprangen. Selbst Stümper wie die Boll Weevils, die
Linenmakers und die Quitman Mockingbirds zogen
Heerscharen an, wenn Highbridge und die anderen
Spitzenteams aufkreuzten.
Wir reisten im Bomber mit Darius am Steuer und Mister
JayMac im ›goldenen Käfig‹ direkt hinter ihm. In anderen
Städten war der Boss auf Taxis angewiesen oder auf die
Freundlichkeit von motorisierten Ortsansässigen oder auf seine wunden Füße. Weil er aber eine Menge Freunde in Süd-Georgia hatte, erlebte man ihn selten zu Fuß. Manchmal nahm
er einfach den Bomber in Beschlag. Mit Benzinmarken hatte er
nie ein Problem.
Hellbender-Spieler stiegen weder
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