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Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition)

Titel: Brückenschläge: Zwei Generationen, eine Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Lindner , Hans-Dietrich Genscher
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musste – die RAF wollte die demokratische Moral und die liberale Integrität beschädigen. Damals ist also auch über den künftigen Charakter der Bundesrepublik entschieden worden, über die innere Liberalität unseres Landes. Diese Bewährungsprobe wurde bestanden. Auch heute noch ist es die immerwährende Aufgabe der liberalen Partei, ihre Grundhaltung und ihre Maßstäbe im Innen- und im Justizbereich zu beweisen. Daher sind die Diskussionen über die Befugnisse der Behörden und über Datenschutz zwischen den heutigen Innenministern und Frau Leutheusser-Schnarrenberger geradezu notwendig.
    LINDNER
    Liberale dürfen das Ziel nicht aufgeben, dem Einzelnen die Souveränität über seine persönlichen Daten zu erhalten und seine Privatsphäre gegen Zugriff aus Staat und Wirtschaft zu verteidigen. Es gibt eine wachsende Zahl von Nutzern, die das Internet als öffentlichen Raum begriffen haben und auf Vertraulichkeit achten. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor viele Menschen, die freiwillig vieles von sich preisgeben. Und nicht zuletzt gibt es bei einigen gegenüber dem Staat ein recht unkritisches Urvertrauen. Obwohl wir die wichtigsten Rechte der Bürgerinnen und Bürger verteidigen, sind wir Liberalen oftmals in der Defensive. Ich nenne das Beispiel der Vorratsdatenspeicherung, dem massenhaften Aufbewahren von Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger – ohne dass es individuell ein Verdachtsmoment gibt. Bei diesen Fragen grenzt das Vertrauen in den Staat an Naivität. Nach dem Motto: »Ich habe ja nichts zu verbergen.« Die einzige Ausnahme sind vielleicht Bankdaten, da sind die Menschen gegenüber dem Finanzamt reservierter, da gibt es Sensibilität – bemerkenswert, finden Sie nicht?
    GENSCHER
    Herr Lindner, Sie kommen hier auf ein Grundproblem des Liberalismus zu sprechen. Als wir uns unlängst über meinen Weg in die Politik unterhalten haben, da erwähnte ich jenen überzeugenden liberalen Redner, der mich im Winter 1945 / 46 tief beeindruckte mit seinem Postulat: Der Liberalismus ist die umfassendste Alternative zu jeder Form der Unfreiheit.
    Er sprach nicht von jeder staatlichen Form der Unfreiheit, sondern von jeder Form. Das heißt, für ihn konnten Freiheitsbedrohungen in den unterschiedlichsten Gewändern auftreten. Die Freiheit kann also nicht nur vom Staat her gefährdet werden. Freiheitsgefährdend können auch mächtige Interessengruppen sein, aber auch marktbeherrschende Unternehmen. Freiheitsgefährdend kann es sein, wenn Marktgeschehen frei von staatlichen Rahmenbedingungen sich freiheitseinschränkend entwickeln kann. Der Liberale ist auf der Hut, wenn die Gefahr der Freiheitseinschränkung auch nur am Horizont erscheint. Gleichviel, welches Gewand sie dabei trägt. Inzwischen erleben wir ja, dass auch der Staat in seiner freiheitssichernden Funktion herausgefordert wird.
    LINDNER
    Der Staat selbst ist ja nicht einmal in der Lage, Sicherheit für die Daten in seinem Besitz garantieren zu können. Ich verweise beispielsweise auf die Affäre Wikileaks, als die Kabelberichte des US -Außenministeriums durch Hacker plötzlich öffentlich gemacht wurden. Wer kann sicherstellen, dass die gespeicherten Kommunikationsdaten von Millionen Bürgerinnen und Bürgern nicht irgendwann aus Fahrlässigkeit oder mit kriminellen Motiven an die Öffentlichkeit gelangen? Dann kann man plötzlich detailliert das Privatleben der Nachbarn oder Geschäftspartner rekonstruieren.
    GENSCHER
    Das ist eine ganz andere Lage als zu Beginn der siebziger Jahre. Verstehen Sie, allein aufgrund des technisch Möglichen war diese Art der Empfindlichkeit nicht gefordert. Betroffen fühlte man sich aus anderen Gründen: Das Misstrauen gegenüber einem allmächtigen Staat in den Hitler-Jahren beherrschte noch manche Köpfe – die Bundesrepublik war doch wenig älter als 20  Jahre. Heute müssen Sie vorausspüren, welchen Datenmissbrauch die technischen Möglichkeiten in der Zukunft erlauben könnten. Unvorstellbar, was alles möglich wird. Nicht nur für den Staat, sondern auch für Personen, für Organisationen und für Unternehmen.
    LINDNER
    Immerhin wurde zu Ihrer Zeit als Innenminister bereits die Rasterfahndung eingeführt.
    GENSCHER
    Ja, obwohl auch das mit der Technik von heute nicht vergleichbar ist. Das waren erste tastende Versuche, die heute längst für zulässig gehalten werden. Nicht die Rasterfahndung als solche war das Problem, sondern das Ausmaß.
    LINDNER
    Sie war aber eine bahnbrechende

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