Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
Schale mit Suppe hatte er noch nicht angerührt. Vor dem Jungen stand Tan-Thalions Ledertasche mit geöffnetem Verschluss, und eine Reihe von Utensilien lag auf einer Decke ausgebreitet. In seiner Hand hielt Timon die silberne Schatulle, die er normalerweise hütete wie einen kostbaren Schatz. Nun war ihr Deckel geöffnet, und das Licht der Sonne ließ den blauen Kristall funkeln. Die Lippen des Jungen formten sich zu stummen Worten, während er das Kleinod betrachtete.
    Mit einem Kopfschütteln wandte Danira sich von dem Jungen ab, und ihr Blick schweifte über das Lager hinweg zu dem Ort, wo die Drachen sich niedergelassen hatten. Feuerwind und Donnersturm lagen dort neben Sternenschein und Schwarzauge. Nur Sonnenfeuer und Goldschuppe hatten sich gemeinsam mit Selina ein wenig von den anderen entfernt. Danira überlegte, sich zu ihnen zu gesellen, doch nach kurzem Zögern beschloss sie, zunächst ihre Mahlzeit zu beenden. Sie hatte gerade den letzten Löffel der Suppe gegessen, als Selina und Goldschuppe sich ihr näherten. Der junge Drache berührte die Schulter des Mädchens sanft mit seinem Kopf, und Danira hob einen Arm, um seinen Hals zu streicheln. Für eine Weile verharrte sie schweigend mit geschlossenen Augen.
    »Ja, ich bin müde«, sagte sie schließlich. »Aber ich fühle mich gut.«
    »Du hast wirklich Fortschritte gemacht«, sagte Selina. »Du hast Goldschuppes Worte verstanden.«
    »Ja, ich habe sie verstanden. Trotzdem bereitet es mir immer noch Mühe.«
    »Du wirst bald sicherer werden. Dann wirst du ihn so gut verstehen wie ich.«
    »Ich glaube nicht, dass die Zeit dafür reichen wird. Wir werden bald in Car-Niëllath sein, und dann müssen wir uns trennen.«
    »Ja, das müssen wir«, sagte Selina. Für einen Moment wandte sie sich von Danira ab, um Goldschuppe anzusehen, dann begann sie wieder zu sprechen. »Goldschuppe sagt, dass er Trauer in dir fühlt, aber er kann nicht tief genug in dein Herz blicken, um den Grund dafür zu erkennen.«
    »Ja, er kann nicht in mein Herz blicken und ich nicht in seines. Während ich mit dir geredet habe, konnte ich Goldschuppes Gedanken nicht verstehen.«
    »Versuche es noch einmal«, sagte Selina. »Goldschuppe möchte dir etwas sagen.«
    Mit nachdenklichem Blick stellte Danira ihre Schale beiseite, dann erhob sie sich, um dem Drachen gegenüberzutreten. Goldschuppes Augen waren groß und dunkel, und ein goldener Schimmer lag in ihnen, wie auch auf den ledrigen Schuppen seines Körpers. Sofort als Danira tief in diese Augen sah, hatte sie Anteil an seinen Gefühlen, spürte seine Zuneigung und eine merkwürdige Erregung, die der Drache offenbar mit ihr teilen wollte.
    »Er möchte, dass ich … dass wir zusammen fliegen«, sagte Danira nach einer Weile. »Will er mich auf seinem Rücken tragen?«
    »Nein.« Selina lächelte und legte eine Hand auf Daniras Schulter. »Aber du hast ihn fast richtig verstanden. Bist du bereit, noch einmal ein Stück mit Sonnenfeuer zu fliegen? Denn Goldschuppe möchte uns etwas zeigen, ein Stück Weges von hier entfernt.«
    »Natürlich – ich werde mit Goldschuppe gehen, wohin er mich auch führt.« Danira wandte sich ihren Gefährten zu, die ihr bereits erwartungsvoll entgegensahen, und sie trat zögernd an Timon heran. Dieser hatte Tan-Thalions silberne Schatulle inzwischen wieder verschlossen, um sich endlich doch noch seiner Suppe zuzuwenden.
    »Ich gehe kurz weg«, sagte Danira. »Goldschuppe möchte mir etwas zeigen.«
    »Soll ich mitkommen?«, fragte Timon, und er hob seinen Blick, um zu dem Mädchen aufzusehen.
    »Ich glaube, es ist etwas, das nur für Selina und mich gedacht ist.« Verlegen blickte Danira zu Boden.
    »Schon gut«, sagte Timon. »Ich bleibe hier bei den anderen. Pass gut auf dich auf.«
    »Das werde ich. Und Sonnenfeuer wird uns begleiten. Wir sind bald wieder zurück.«
    Gemeinsam stiegen Danira und Selina auf den Rücken von Sonnenfeuer, die sich mit kräftigen Schlägen ihrer gewaltigen Schwingen in die Luft erhob. Goldschuppe blieb an der Seite seiner Mutter, während sie rasch nach Süden flog. Die Landschaft, über die sie dahinzogen, war mit hohem Gras und Gestrüpp bewachsen, und nur selten hoben sich vereinzelte Bäume oder kleine Wälder daraus hervor. Es waren nur einige Minuten vergangen, als Sonnenfeuer abrupt ihre Richtung änderte und nach Osten abschwenkte. Gleichzeitig verlor sie rasch an Höhe, und wenig später landete sie inmitten einer ausgedehnten Grasfläche. Sogleich legte sie

Weitere Kostenlose Bücher