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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Provinzstadt wird Beaumarchais’ Stück Hochzeit des Figaro verboten werden, das vormals vom König verboten war. Es bildet einen Lebensstil ab, der heute geächtet ist, überdies erfordert es das Tragen aristokratischer Kostüme.
    »Sansculotten«, so nennen sich die Arbeiter, weil sie lange Hosen statt Kniehosen tragen, dazu eine Kattunweste mit breiten blau-weiß-roten Streifen und eine hüftlange Jacke aus grober Wolle, die sogenannte carmagnole . Auf dem Sansculottenkopf sitzt die rote Mütze, die »Mütze der Freiheit«. Warum die Freiheit eine Kopfbedeckung braucht, kann niemand erklären.
    Für die Reichen und Mächtigen besteht die Kunst darin, als Sansculotte im Geiste anerkannt zu werden, ohne die lachhafte Uniform anlegen zu müssen. Aber nur Robespierre und eine Handvoll anderer geben den arbeitslosen Friseuren Frankreichs noch Grund zur Hoffnung. Viele Mitglieder des neuen Nationalkonvents tragen ihr Haar nach vorne gebürstet und waagrecht über der Stirn abgeschnitten wie die antiken Heldenstatuen. Reitstiefel werden zu allen Anlässen getragen, selbst zu Harfenkonzerten. Es ist wichtig, dass man immer und überall so aussieht, als wollte man nach dem Essen noch rasch gegen eine preußische Kolonne zu Felde ziehen.
    Die Halsbinden werden höher, eine Art Rüstung für den Hals. Die höchsten Halsbinden im öffentlichen Leben wird Bürger Antoine Saint-Just vom Nationalkonvent und vom Wohlfahrtsausschuss tragen. In den dunklen und grauenvollen Tagen des Jahres 1794 wird eine obszöne weibliche Spielart aufkommen: ein dünnes Purpurbändchen um einen bloßen weißen Hals.
    Es wird wirtschaftliche Reglementierungen geben, von der Regierung verordnete Höchstpreise. Es wird Kaffeerevolten und Zuckerrevolten geben. Im einen Monat wird das Feuerholz ausgehen, im nächsten Seife oder Kerzen. Der Schwarzmarkt wird ein florierendes, aber verzweifeltes Geschäft sein, denn auf Horten und illegalen Handel steht die Todesstrafe.
    Es werden sich hartnäckige Gerüchte über einstige Edelmänner und Edelfrauen halten, über zurückgekehrte Emigrierte. Jemand will einen Marquis gesehen haben, der sich als Stiefelputzer verdingt, während seine Frau Näharbeiten verrichtet. Ein Herzog soll als Diener in seinem eigenen Haus angestellt sein, das nun einem jüdischen Bankier gehört. Manche Menschen möchten solche Geschichten offenbar gern glauben.
    Zu Zeiten der Nationalversammlung konnte es bedauerliche Zwischenfälle geben, bei denen überreizte Herren nach dem Knauf ihres Rapiers griffen. Im Konvent und im Jakobinerclub werden Handgemenge und Messerstechereien an der Tagesordnung sein. Das Duell wird durch den Meuchelmord ersetzt werden.
    Die Reichen – die neuen Reichen, heißt das – leben so gut wie nur irgendeiner unter dem alten Regime. Camille Desmoulins in einer halbprivaten Unterhaltung bei den Jakobinern an einem Abend im Jahr ’93: »Ich verstehe nicht, wieso alle immer jammern, dass sich heutzutage kein Geld verdienen lässt. Ich habe keinerlei Schwierigkeiten.«
    Kirchen werden verwüstet, Statuen verstümmelt. Mit steinernem Blick heben Heilige ihre Fingerstümpfe zum Segen. Wer eine Marienstatue retten will, der stülpt ihr eine rote Mütze über und verwandelt sie in eine Freiheitsgöttin. Tatsächlich retten sich viele Jungfrauen so; wen reizen schon diese politischen Megären?
    Durch die umgeänderten Straßennamen wird es unmöglich, jemandem den Weg zu beschreiben. Auch der Kalender wird revolutioniert; der Januar wird abgeschafft, ade, aristokratischer Juni. Die Leute werden einander fragen: »Was haben wir heute nach richtiger Zeit?«
    ’92, ’93, ’94. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder der Tod.
    Dantons erste Amtshandlung als Justizminister war es, seine Ministerialbeamten zusammenzurufen. Er ließ den Blick über sie wandern. Ein Grinsen spaltete sein wüstes Gesicht. »Meine Herren«, sagte er, »seien Sie klug, begeben Sie sich in den vorzeitigen Ruhestand.«
    »Ich werde Sie schrecklich vermissen«, sagte Louise Gély zu Gabrielle. »Darf ich Sie an der Place Vendôme besuchen kommen?«
    »An der Place des Piques«, berichtigte Gabrielle. Sie lächelte – ein sehr kleines Lächeln. »Ja, komm mich unbedingt besuchen. Aber wir sind sowieso bald wieder da, weil Georges ja nur jetzt während des Notstands die Amtsgeschäfte führt, und sobald der Notstand beendet ist …« Sie biss sich auf die Zunge. Sie wollte das Schicksal nicht herausfordern.
    »Sie sollten keine Angst

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