Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
steinreicher Mann. Er ist ein hervorragender Soldat. Aber für die Koalition ist er – ja, was? Ein Söldner.«
»Und was wäre er gern?«
»Braunschweig weiß so gut wie ich, dass Frankreich noch nicht bereit für eine republikanische Regierung ist. Das Volk will vielleicht nicht Louis oder seine Brüder, aber es will einen König, weil Könige etwas sind, das es versteht, und früher oder später wird die Nation an einen König fallen – oder an einen Diktator, der sich zum König ausruft. Wenn du mir nicht glaubst, frag Robespierre. Nun hätten Umstände eintreten können, unter denen wir – wenn unsere Verfassung erst einmal steht – Europa nach einem halbwegs königstauglichen alten Strohkopf abgesucht hätten, der uns sie aufrechterhalten hilft. Braunschweig würde es vielleicht etwas anders formulieren, aber es besteht kein Zweifel daran, dass er die Rolle gern übernommen hätte.«
»Stimmt, das hat Robespierre behauptet.« (Und du, ergänzte Fabre im Stillen, hast es als Unsinn abgetan.) »Aber mit dem Manifest letzten Juli …«
»… hat er sich um diese Chance gebracht. Jetzt benutzen wir seinen Namen als Schimpfwort. Warum hat die Koalition ihn gezwungen, seinen Namen unter ihr Manifest zu setzen? Weil sie ihn braucht. Sie wollten, dass man ihn bei uns hasst, damit seine persönlichen Ambitionen vereitelt würden und seine Dienste ihnen erhalten bleiben.«
»Das ist ihnen gelungen. Und weiter?«
»Die Situation ist nicht – unrettbar. Ich bin dabei zu eruieren, ob Braunschweig sich nicht vielleicht kaufen lässt, verstehst du? Ich habe General Dumouriez gebeten, Verhandlungen mit ihm aufzunehmen.«
Fabre sog scharf den Atem ein. »Du setzt unser aller Leben aufs Spiel! Damit hat Dumouriez uns in der Hand!«
»Möglich, aber darum geht es nicht. Es geht um das Ergebnis für Frankreich, nicht um offene Rechnungen zwischen mir und dem General. Weil es nämlich so aussieht, als könnte Braunschweig sich kaufen lassen.«
»Aha, er ist also ein Mensch. Anders als Robespierre oder der Tugendhafte Roland, wie die Zeitungen unseren Innenminister nennen.«
»Keine Scherze«, sagte Danton. Plötzlich grinste er. »Du hast ja recht. Wir haben so einige Heilige auf unserer Seite. Tja, wenn sie erst tot sind, können die Franzosen mit ihren Reliquien bewaffnet ins Feld ziehen. Anstelle von Kanonen, mit denen wir ja weniger gut bestückt sind.«
»Was verlangt Braunschweig? Wie viel?«
»Seine Forderungen sind sehr konkret. Er will Diamanten. Die sammelt er, musst du wissen. Und welche Gier Diamanten entfachen können, haben wir ja an unserer guten Madame Capet gesehen.«
»Aber ich kann mir nicht vorstellen …«
Danton schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Wir stehlen die Kronjuwelen. Wir schanzen Braunschweig die zu, auf die er ein Auge geworfen hat, und lassen den Rest wieder auftauchen. Zur späteren Verwendung.«
»Aber kann das gut gehen?«
Böser Blick von Danton. »Denkst du, ich hätte mich sonst so weit vorgewagt? Der Diebstahl selbst dürfte kein großes Problem sein – nicht für professionelle Diebe, wenn wir ihnen entsprechend unter die Arme greifen. Ein paar Pannen bei der Bewachung. Ein paar Schnitzer bei den Ermittlungen.«
»Aber das alles – die Bewachung des Kronschatzes, die Ermittlungen – fällt doch unter Rolands Zuständigkeit.«
»Der Tugendhafte Roland wird in unseren Plan eingebunden. Wenn er erst genügend Einzelheiten weiß, um in die Sache verwickelt zu sein, kann er uns nicht mehr verraten, ohne sich selbst ans Messer zu liefern. Überlass das ruhig mir – ich sorge dafür, dass er Einzelheiten erfährt, die er lieber nicht wüsste. Aber tatsächlich wird er natürlich sehr wenig wissen, wir kaschieren es so, dass er nur raten kann, wer tatsächlich beteiligt ist und wer nicht. Und wenn es brenzlig wird, laden wir ihm die Schuld auf. Denn wie du ganz richtig sagst, es ist seine Zuständigkeit.«
»Aber er bräuchte doch nur zu sagen, dahinter steckt Danton.«
»Wenn er dafür lange genug lebt.«
Fabre starrte ihn an. »Ich erkenne dich nicht wieder, Danton.«
»Ich bin derselbe dreckige Patriot wie eh und je, Fabre. Was ich damit von Braunschweig erkaufe, ist eine einzige Schlacht – ein Sieg für unsere armen, unterernährten, barfüßigen Soldaten. Ist das verkehrt?«
»Die Mittel …«
»Die Mittel setze ich dir gerade auseinander, und ich habe nicht die Zeit, mit dir über den Zweck zu diskutieren. Kein Rechtfertigungsgeseier bitte.
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