Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
»Guten Morgen, guten Morgen«, sagte Fabre d’Églantine.
»Wir haben Sie nicht hergebeten.«
»Nein, das nicht.« Fabre setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Bürger Roland nicht daheim?«
»Er macht einen kurzen Spaziergang. Aus gesundheitlichen Gründen.«
»Und wie steht es um seine Gesundheit?«, erkundigte sich Fabre.
»Leider nicht sehr gut. Wir hoffen, der Sommer wird nicht zu heiß.«
»Ach ja«, sagte Fabre, »heißes Wetter, kaltes Wetter, alles hat seine Tücken für die Invaliden, nicht wahr? Das haben wir schon befürchtet. Als uns auffiel, dass Bürger Rolands Rücktrittsgesuch in Ihrer Handschrift abgefasst war, haben wir gleich zu Danton gesagt, dann muss Bürger Roland wohl unpässlich sein. Darauf meinte Danton – ach, egal.«
»Möchten Sie meinem Mann vielleicht eine Nachricht hinterlassen?«
»Nein, denn wissen Sie, ich bin gar nicht hier, um Bürger Roland zu sprechen, ich wollte einfach für ein paar Minuten das Vergnügen Ihrer Gesellschaft genießen. Und dass ich Bürger Buzot hier bei Ihnen antreffe, macht das Vergnügen nur umso größer. Sie sehen sich oft, oder? Geben Sie gut acht, sonst verdächtigt man Sie noch einer« – er lachte glucksend – »Verschwörung. Aber ich glaube ja, dass die Freundschaft zwischen einem jungen Mann und einer älteren Frau etwas Wunderschönes sein kann. Bürger Desmoulins schwört darauf.«
»Wenn Sie nicht bald sagen, was Sie eigentlich wollen«, sagte Buzot, »werfe ich Sie hinaus.«
»Im Ernst?«, sagte Fabre. »Mir war nicht klar, dass wir einen solchen Grad der Feindseligkeit erreicht haben. Nehmen Sie doch wieder Platz, Bürger Buzot, es gibt keinen Grund, handgreiflich zu werden.«
»Als Präsident des Jakobinerclubs«, sagte sie, »hat Marat dem Konvent einen Antrag auf Ächtung einzelner Abgeordneter überreicht. Einer davon ist der Bürger Buzot, den Sie hier sehen. Ein anderer ist mein Gatte. Sie wollen uns vor Ihr Tribunal stellen. Sechsundneunzig Mitglieder haben diesen Antrag unterzeichnet. Wenn wir schon von Feindseligkeit sprechen.«
»Nein, da muss ich mich verwahren«, sagte Fabre. »Marats Freunde haben ihn unterzeichnet, wobei es mich zugegebenermaßen überrascht, dass Marat sechsundneunzig Freunde hat. Danton hat nicht unterschrieben. Robespierre auch nicht.«
»Aber Camille Desmoulins.«
»Oh, über Camille haben wir keine Gewalt.«
»Robespierre und Danton unterzeichnen den Aufruf nur deshalb nicht, weil er von Marat ist«, sagte sie. »Ihr seid hoffnungslos gespalten. Ihr denkt, ihr könnt uns einschüchtern. Aber aus dem Konvent bringt ihr uns nicht, dazu habt ihr weder die nötige Mehrheit noch die Macht.«
Fabre betrachtete die beiden durch sein Lorgnon. »Wie gefällt Ihnen mein Mantel?«, fragte er. »Das ist der neueste englische Schnitt.«
»Ihr werdet nie irgendetwas erreichen, und ihr sprecht auch für niemanden. Danton und Robespierre haben Angst, dass Hébert ihnen den Rang abläuft, Hébert und Marat haben Angst vor Jacques Roux und den anderen Agitatoren auf der Straße. Ihr alle habt Todesangst davor, an Beliebtheit zu verlieren, davor, nicht mehr an der Spitze der Revolution zu stehen – deshalb lasst ihr jeden Anschein von Sitte und Anstand fahren. Die Jakobiner werden von ihrer öffentlichen Galerie beherrscht, und ihr tanzt nach ihrer Pfeife. Aber seien Sie gewarnt – diese Stadt voller zerlumpter Analphabeten, denen ihr euch andient, ist nicht Frankreich.«
»Ihre Leidenschaft erstaunt mich«, sagte Fabre.
»Im Konvent sitzen aufrechte Männer aus allen Teilen der Nation, und ihr Pariser Abgeordneten werdet sie nicht sämtlich ins Bockshorn jagen können. Dieses Tribunal, dieses Ende der Immunität spielt nicht nur euch in die Hand. Wir haben unsere Pläne für Marat.«
»Aha«, sagte Fabre. »Gut, im Prinzip hätte es all das natürlich eh nicht gebraucht. Wenn Sie Danton nur halbwegs zivil behandelt und sich diese unselige Bemerkung darüber verkniffen hätten, dass Sie nicht intim mit ihm werden möchten … Er ist ein feiner Kerl, wissen Sie, immer bereit, mit sich handeln zu lassen, und er ist nicht im Geringsten auf Blut aus. Nur ist er in letzter Zeit, wo er privat so viel durchmacht, eben nicht ganz so ausgeglichen wie sonst.«
»Wir wollen keinen Handel«, sagte sie zornig. »Wir lassen uns auf keinen Handel mit den Leuten ein, die das Massaker vom letzten September zu verantworten haben.«
»Das ist sehr schade«, antwortete Fabre bedächtig. »Denn bis jetzt
Weitere Kostenlose Bücher