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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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unserem Urteil folgen, unserem Gewissen, und es uns in eine bestimmte Richtung führt, dann kann sich das rächen. Auch Brissot handelt ja vielleicht in gutem Glauben.«
    »Aber ich habe gerade dieses Pamphlet geschrieben – Brissot ist ein Verschwörer gegen die Republik …«
    »Zu dieser Überzeugung hast du dich gebracht. Zu dieser Überzeugung wirst du heute Abend auch die Jakobiner bringen. Und ja, während ihrer Zeit an der Macht waren er und seine Leute irregeleitet, dumm und sträflich fahrlässig, und gehören deshalb aus dem politischen Leben ausgemerzt.«
    »Aber Max, im September wolltest du sie noch umbringen lassen. Du hast es einzufädeln versucht.«
    »Ich dachte, es wäre besser, sie loszuwerden, ehe sie noch mehr Schaden anrichten. Ich habe an die Leben gedacht, die dadurch gerettet werden könnten …« Er bewegte die Beine, und ein paar der Blätter rutschten zu Boden. »Es war eine Frage der Abwägung. Und Danton« – er lächelte – »hat seitdem Respekt vor mir. Er hält mich für ein unberechenbares wildes Tier, das jederzeit aus seinem Käfig ausbrechen kann.«
    »Und dennoch billigst du Brissot zu, in gutem Glauben zu handeln.«
    »Camille, was zählt, sind die Resultate, nicht die Absichten. Gut möglich, dass er des Verbrechens, dessen du ihn heute Abend anklagen wirst, nicht schuldig ist, aber ich erlaube es dir trotzdem. Ich will, dass sie aus dem Konvent verschwinden – wobei es mir persönlich lieb wäre, wenn es damit sein Bewenden hätte. Der Schaden ist angerichtet, wir machen ihn nicht ungeschehen, indem wir sie belangen. Aber das Volk wird es nicht so sehen. Das wäre wohl auch zu viel verlangt.«
    »Du würdest sie retten. Wenn du könntest.«
    »Nein. Es gibt Phasen in einer Revolution, in denen allein schon am Leben zu sein ein Verbrechen darstellt, und die Menschen müssen ihre Köpfe herzugeben wissen, wenn das Volk sie fordert. Vielleicht wird irgendwann auch meiner gefordert werden. Wenn der Tag kommt, wird man mich bereit finden.«
    Camille hatte ein paar Schritte von ihm weg gemacht und strich mit der Hand Maurice Duplays selbstgezimmerte Regalbretter entlang. Darüber hing ein seltsames Emblem an der Wand, das Maurice Duplay eigenhändig geschnitzt hatte: ein gewaltiger, prächtiger Adler mit ausgestreckten Fängen, ähnlich einem römischen Legionsadler.
    »Solch heldische Gesinnung«, sagte Camille langsam, »und das auch noch im Nachthemd. Die Politik ist die Dienerin der Vernunft. Es ist eine Form der Blasphemie, die menschliche Vernunft so zu verbiegen, dass sie im Namen der Politik gutheißt, was sie im Namen der Moral verbietet.«
    »Das sagst du«, sagte Robespierre müde, »dabei bist du doch selber verdorben.«
    »Korrupt, meinst du?«
    »Korrumpiert werden kann man durch mehr als durch Geld. Bei dir ist es Freundschaft. Deine Zuneigungen sind zu … zu unbedingt. Dein Hass ist zu jäh, zu absolut.«
    »Du sprichst von Mirabeau, stimmt’s? Das wirst du mich nie vergessen lassen, oder? Ja, er hat mich benutzt – dazu, Ansichten zu verbreiten, an die er selbst nicht glaubte, wie sich später gezeigt hat. Aber du machst es ja es genauso. Du glaubst kein Wort von dem, was du mir zu sagen ›erlaubst‹. Das finde ich schwer hinzunehmen.«
    »Versteh doch«, sagte Robespierre geduldig, »wenn wir nicht auf der Stufe von Suleau und Théroigne verharren wollen, müssen wir die Fallstricke unserer persönlichen Überzeugungen und Hoffnungen meiden und uns als die Werkzeuge eines Schicksals sehen, das bereits vorherbestimmt ist. Es wäre zur Revolution gekommen, selbst wenn wir nie geboren worden wären.«
    »Das mag ich nicht glauben«, sagte Camille. »Das würde meinen Platz im Universum beschädigen.« Er begann die Papiere vom Boden aufzulesen. »Wenn du Eléonore, ich meine Cornélia, richtig ärgern willst«, sagte er, »solltest du anfangen, deine Blätter vom Bett zu schmeißen und dann nach ihnen zu schreien wie unser Kleiner. Lolotte flieht schon immer, wenn sie merkt, dass dieses Spiel wieder losgeht.«
    »Danke, ich werde es ausprobieren.« Ein Hustenanfall.
    »Hat Saint-Just dich besucht?«
    »Nein. Er hat keine Geduld mit Kranken.«
    Unter Robespierres Augen lagen tiefviolette Schatten. Sie erinnerten Camille an das Gesicht seiner Schwester kurz vor ihrem Tod. Er schob den Gedanken beiseite, sperrte ihn aus. »Für dich und Danton ist das alles schön und gut. Aber ich, ich muss hingehen und zwei Stunden lang vor den Jakobinern herumstottern, wo

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