Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
weg.
    Maximilien Robespierres private Aufzeichnungen: »Danton hat über den Begriff der vertu nur gelacht. Er setzt sie mit dem gleich, was er jede Nacht mit seiner Frau treibt.«
    Als Danton zu reden begann, jubelten die Sansculotten; die Abgeordneten erhoben sich und klatschten ihm Beifall. Es dauerte eine Weile, bis er fortfahren konnte. Auf seinem Gesicht wechselte sich Genugtuung mit Verblüffung ab; ganz so leicht hatte er es sich nicht vorgestellt. Wieder einmal mahnte und beschwichtigte, befriedete und schlichtete er – rettete die Situation. Als er am nächsten Tag in den Ausschuss gewählt wurde, erschien Robespierre bei ihm zu Hause. Mit starrer Miene saß er ganz vorn auf der Stuhlkante und lehnte jegliche Erfrischung ab. »Ich bin hier, um Sie aufzufordern, Ihrer Pflicht nachzukommen«, sagte er. »Falls das Wort für Sie noch irgendeine Bedeutung hat.«
    Danton war in Gönnerstimmung. »Nein, lauf nicht weg, Louise. Du hast Bürger Robespierre noch nie von nahem gesehen, oder?«
    »Ich bin Ihre Provokationen leid«, stieß Robespierre hervor. Im gleichen Augenblick begann sein rechtes Lid zu zucken. Hastig nahm er die Brille ab und presste den Finger auf die Stelle.
    »Sie brauchen mehr Gelassenheit«, sagte Danton. »Denken Sie an Camille – ein ganzes Leben als Stotterer. Wobei ich zugeben muss, dass Camilles Stottern deutlich mehr Charme hat.«
    »Vielleicht setzt der Konvent sich ja über Ihre Wünsche hinweg. Vielleicht zwingt er Sie ja beizutreten.«
    »Ich habe vor«, sagte Danton freundlich, »ein Stachel im Fleisch jedweder Ausschüsse zu sein.«
    »Gut, dann gibt es nichts mehr zu sagen. Das Volk schreit nach Prozessen und Säuberungen und Todesurteilen, aber Sie drehen sich einfach um und gehen.«
    »Was erwarten Sie denn von mir? Dass ich für die Republik Blut schwitze? Ich sage doch, ich unterstütze Sie.«
    »Sie wollen als der große Held des Konvents dastehen. Sie wollen vorne stehen und das große Wort führen und Ruhm und Ehre einheimsen. Aber damit ist es nicht getan, lassen Sie sich das gesagt sein!«
    »Sie werden noch krank, wenn Sie so weitermachen.«
    »Sie werfen mir vor, dass ich mir Beistand bei Saint-Just hole, aber wenigstens erhebt er seine privaten Vergnügungen nicht zum Maßstab für die Revolution.«
    »Wer sagt, dass ich das tue?«
    »Sie werden mich doch wenigstens in der Öffentlichkeit halbwegs zivil behandeln?«
    »Ich werde regelrecht liebevoll zu Ihnen sein«, versprach Danton.
    Robespierre fuhr in einer Regierungsdroschke davon. Zwei kräftige Männer stiegen rechts und links von ihm ein. »Leibwächter«, sagte Danton, der vom Fenster aus zusah. »Die haben sie ihm schließlich doch aufnötigen können. Man hat ihn verdächtigt, seinen Hund in den Wohlfahrtsausschuss einschleusen zu wollen. Dabei hätte er vermutlich gar nichts dagegen, einem Attentat zum Opfer zu fallen.« Er streckte den Arm nach Louise aus. »Das würde seinem tristen, entbehrungsreichen Dasein einen würdigen Abschluss bereiten.«
    Noch am Tag der Demonstration war der Sansculottenführer Jacques Roux festgenommen worden. Es wurde nicht gleich ein Verfahren gegen ihn angestrengt, als er aber zuletzt doch vor das Tribunal kam, beging er in seiner Zelle Selbstmord. Der September begründete den Terror als Regierungsform. Die neue Verfassung sollte bis zum Ende des Krieges ausgesetzt werden. Am 13. September beantragte Danton, dass sämtliche Ausschüsse neu bestätigt und ihre Mitglieder in Zukunft durch den Wohlfahrtsausschuss bestimmt werden sollten. Einen Moment lang standen er und Robespierre nebeneinander, wie um gemeinsam den Beifall der Bergpartei entgegenzunehmen. »Gut so?«, fragte er Robespierre, und Robespierre antwortete gelassen: »Alles bestens.«
    Der Antrag wurde angenommen. Der Moment war vorbei. Sich jetzt, dachte Danton, einfach verbeugen und abgehen zu können! Müdigkeit wucherte durch seinen ganzen Körper wie ein Pilz.
    Am nächsten Morgen konnte er kaum den Kopf vom Kissen heben. Er hatte keinerlei Erinnerung an den Vortag mehr. Sein Gedächtnis schien vollständig ausgelöscht und durch einen bleiernen, pochenden Schmerz ersetzt worden zu sein. Fragmente von Ereignissen blitzten durch den Schmerz auf – unverbunden, viele Jahre alt. Er wusste nicht, welcher Tag es war. Er meinte Gabrielle ins Zimmer kommen, sich über ihn beugen, sein Kissen aufklopfen zu sehen. Erst später fiel ihm ein, dass Gabrielle ja tot war.
    Mehrere Ärzte kamen. Sie debattierten

Weitere Kostenlose Bücher