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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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deine Schlüsse doch schon gezogen. Und ich nehme an, du wirst dafür stimmen, diese Leute rein auf Verdacht einzusperren.«
    »Feindliche Ausländer, ja.«
    »Das sagst du jetzt, aber wird es damit getan sein? Jedes Inhaftierungsgesetz verdreht das Recht.«
    »Aber versteh doch …«
    »Ich weiß«, sagte Camille. »Nationaler Notstand, Ausnahmesituation. Du kannst nicht behaupten, ich hätte unsere Gegner übermäßig milde angefasst. Ich habe nie Skrupel gezeigt – apropos, warum schiebst du den Prozess gegen Brissots Leute hinaus? –, aber was bringt es, die Tyrannen Europas zu bekämpfen, wenn wir uns selbst wie Tyrannen verhalten? Was hat dann alles für einen Sinn?«
    »Camille, das ist keine Tyrannei – diese Befugnisse, die wir uns nehmen, werden wir vielleicht niemals brauchen oder jedenfalls nicht länger als für ein paar Monate. Sie dienen unserer Selbsterhaltung, unserem Überleben als Nation. Du hast nie Skrupel gezeigt, sagst du – aber ich, ich habe Skrupel, ständig habe ich Skrupel. Hältst du mich etwa für blutrünstig? Ich hätte gedacht, du hast Vertrauen in mich und mein Handeln.«
    »Das habe ich – doch, ich glaube, das habe ich. Aber kontrollierst du den Ausschuss, oder vertrittst du ihn nur nach außen?«
    »Wie könnte ich ihn kontrollieren?« Er breitete die Hände aus. »Ich bin doch kein Diktator.«
    »Jetzt spielst du den Überraschten«, sagte Camille, »aber wenn du ihn nicht kontrollierst, hat dann Saint-Just dich am Gängelband? Ich frage das lediglich, um dich daran zu erinnern, dass du dir das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen darfst. Und wenn ich der Meinung bin, etwas ist Tyrannei, dann werde ich dir das sagen. Dieses Recht habe ich.«
    Man sieht, zu welch beißendem Konzentrat die Revolution mittlerweile verkocht ist: Unterlinge als Minister, alte Freunde, die einander durchschauen. Von den zweihundertsechzig Angeklagten, die bis zum September vor das Tribunal gebracht wurden, sind nur sechsunddreißig verurteilt worden; dieses Verhältnis wird sich demnächst ändern. Während die großen Fragen immer noch größer werden, wird die Besetzung immer kleiner; die Überlebenden haben sämtlich das Gefühl, sich seit Ewigkeiten zu kennen.
    Camille wusste, dass er im Sommer einen Fehler gemacht hatte; er hätte das Urteil über Arthur Dillon der Republik anheimstellen sollen. Andererseits hatte er so seinen persönlichen Einfluss demonstriert. Aber er fühlte sich isoliert, während nun die Morgen kühler wurden, die Leute Holzscheite für den Winter einlagerten und in den öffentlichen Gärten blassgoldene Sonne durch das Geäder papierdünner Blätter schien. Ohne konkreten Anlass notierte er in seinen Aufzeichnungen Folgendes:
Pytheus sagte, auf der Insel Thule, die bei Vergil Ultima Thule heißt, sechs Tagesreisen von Britannien entfernt, gebe es weder Erde noch Meer noch Luft, sondern eine Mischung der drei Elemente, die weder Gehen noch Fahren zulasse; er sprach davon so, als wäre er selbst dort gewesen.
    2.  SEPTEMBER 1793: Eine Petition der Sektion »Sans-Culottes« (vormals Jardin-des-Plantes) im Konvent:
Wisst ihr nicht, dass sich der Besitz einzig nach den Grundbedürfnissen des Menschen bemessen darf? … Es soll ein Maximum für Vermögen festgesetzt werden … Keiner soll mehr Ländereien pachten dürfen, als für eine festgesetzte Anzahl von Pflügen gebraucht werden … Ein Bürger soll nicht mehr als eine Werkstatt oder einen Laden besitzen dürfen … Der fleißige Handwerker, Händler oder Bauer soll nicht nur solche Dinge erwerben können, mit denen er sich das knappe Überleben sichert, sondern auch solche, wie sie zu seinem Glück beitragen …
    Antoine Saint-Just:
Das Glück ist eine neue Idee in Europa.
    Am 2. September traf in Paris die Nachricht ein, dass die Bewohner von Toulon ihre Stadt wie auch ihre Flotte an die Briten ausgeliefert hatten. Es war ein beispielloser Verrat. Frankreich verlor sechzehn Fregatten und sechsundzwanzig seiner fünfundsechzig Linienschiffe. Ein Jahr zuvor war in den Pariser Rinnsteinen das Blut geströmt.
    »Herrgott noch mal«, sagte Danton, »so was macht man sich zunutze! So was lässt man doch nicht einfach geschehen!« Der Lärm aus dem Konventssaal war ein dumpfes Tosen, gelegentlich von einem Aufschrei durchbrochen. »Man packt zu.« Seine Finger schlossen sich um etwas: einen Hals? »Als Septembermörder habe ich mich noch nie so populär gefühlt.«
    Robespierre sagte etwas.
    »Sie müssen lauter

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