Brüllbeton - Kriminalroman
angehen.« Hopfinger beugte sich vor und fragte mit Nachdruck: »Und da müssen wir Sie als seine, wenn ich so sagen darf, letzte Geliebte ganz routinemäÃig befragen, ob Sie etwas von diesen Aktivitäten mitbekommen haben.«
Chantal holte ihr Schminktäschchen hervor und begann, sich ihre Lippen umständlich nachzuziehen. Offenbar wollte sie Zeit gewinnen. »Ach, wissen Sie«, sagte sie nach einer Weile, »man hört vieles, jeder sagt dem anderen irgendetwas Schlechtes nach, und unter Musikern brodelt gern die Gerüchteküche. Gerade meine Kollegen aus dem Streichquartett, allen voran Grigorij, haben immer Gift und Galle gespuckt, wenn es um Verdinand ging.«
Sie klappte ihr Schminktäschchen zu und ergänzte: »Aber wenn man sich liebt, so wie Verdinand und ich, dann ist das alles egal. Da hat man nur noch Augen für den anderen, da ist es gleichgültig, was böse Zungen behaupten.«
Julia durchschaute ihren theatralischen Auftritt. »Ehrlich gesagt, Chantal, ich darf Sie doch so nennen?, Sie machen auf mich im Augenblick nicht gerade den Eindruck einer trauernden Witwe. Die würde wohl eher die Wangen pudern, um die Spuren der verweinten Augen zu verdecken, statt sich die Lippen rot zu färben.«
»Ich nehme eben das Leben, wie es ist«, entgegnete Chantal spitz. »Von meiner Musik kann ich nicht leben. Das ist für eine Bratschistin eine brotlose Kunst. Die Welt will die Geigenvirtuosen sehen, die Wunderkinder. Die Bratschenliteratur ist leider nicht aufregend genug dafür.«
Kroll konnte das nicht ganz nachvollziehen. Er wusste zwar, dass eine Bratsche â Julia hätte jetzt bestimmt den Fachausdruck Viola benutzt â so etwas wie eine gröÃere Geige ist. Doch warum sollte eine Bratschistin nicht auch eine virtuose Geigerin sein können? Er wurde den Eindruck nicht los, dass die Musikerin eine recht oberflächliche und flatterhafte Person war.
Doch Chantal konnte ihre Ansicht gut begründen: »Meine Bratsche war schon teuer genug.« Mit ironischem Unterton fügte sie hinzu: »Wie sollte ich mir da auch noch eine Stradivari leisten können?«
Julia brachte es auf den Punkt: »Aber der reiche Bauunternehmer Müller hätte das doch locker geschafft, oder?«
»Ist ja wohl nichts AnstöÃiges dran, sich einen Millionär zu angeln, oder?«, konterte Chantal und brachte ihre Oberweite kokett in Pose. »Sie mit ihrer windschnittigen Sportlerfigur würden das wahrscheinlich nicht schaffen.«
Jetzt war es an Hopfinger, mit seiner männlichen Vermittlungsgabe die wieder etwas angespannte Situation zu entschärfen. »Die Gründe, warum Sie mit Müller liiert waren, interessieren uns nicht. Vielmehr wüsste ich gern, welche Rolle Grigorij in der ganzen Sache spielt.«
»Ach«, antwortete Chantal mit verächtlichem Ton, »der ist zwar als Geiger und Bandleader ein Ausnahmetalent. Aber als Mensch ist er eine Niete. Und mit diesem Idioten war ich mal intim! Ein Angeber, der sich seinen luxuriösen Lebensstil nur deswegen leisten kann, weil er dealt. Und zwar in groÃem Stil.«
Endlich kommen wir auf den Punkt, dachte Hopfinger und hakte sofort nach: »Was wollen Sie damit sagen?«
»Einfach nur das, was hier in Musikerkreisen ohnehin jeder weiÃ. Wenn man mal eine Dröhnung nötig hat, braucht man sich nur an den Zaren zu wenden. Vom Joint bis zum Koks. «
»Sie auch?«
»Ja, warum soll ichâs leugnen. Ich hatte gute Zeiten und ich hatte schlechte Zeiten. Aber abhängig bin ich nicht und war ich auch nie. So wie Mateo, unser Cellist, dem die Müller-Witwe ja ständig den Kopf verdreht. Ãberhaupt, diese Schlampe. Spielt die biedere Hausfrau. Giftet mich an, weil ich ihr den Mann ausgespannt habe. Dabei ist sie alles andere als die keusche Adelstochter.«
Das war selbst für den nicht gerade zimperlichen Kommissar zuviel der Tratscherei. »Nun mal nicht gleich alle Fliegen mit einer Klatsche erschlagen. Immer der Reihenfolge nach. Sie sagten, Grigorij würde einen luxuriösen Lebensstil führen. Apropos fahren: Fährt der eigentlich einen schwarzen Bentley?«
Chantal schaute ihn etwas irritiert an. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. »Nicht dass ich wüsste, jedenfalls nicht, solang er mein Bett geteilt hat.«
»Und was ist mit seinem Spitznamen? Warum heiÃt er der Zarewitsch ?«, schob Hopfinger
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