Brüllbeton - Kriminalroman
mit einem lauernden Blick hinterher, denn er hatte bewusst aus dem Zar einen Zarewitsch gemacht, um zu testen, ob es eventuell eine Querverbindung zum Hamburger Drogenclan gab, wo diese Schreibweise keine unbekannte war.
Aber Chantal schluckte diesen Köder nicht. » Zarewitsch ? Grigorij ist doch kein Operettenbaron. Alle nennen ihn den Zar , erstens, weil er aus Russland kommt, und zweitens, weil er so aussieht wie Peter der GroÃe. Vielleicht auch, weil er denkt, die ganze Welt müsse ihm zu FüÃen liegen.«
»Tut sie das nicht auch, wenn er, wie Sie behaupten, dealt? Welche Anhaltspunkte haben Sie eigentlich dafür, dass er mehr als nur ein Mitläufer ist, der mal hier und da eine Tüte Gras verteilt?«
Chantal scheint ihren Verflossenen nicht besonders zu mögen, fand Hopfinger. Warum liefert sie ihn der Polizei so freiwillig ans Messer? Oder benutzt sie ihn, um von jemand anderem abzulenken?
»Das kann man sich ja wohl an den fünf Fingern abzählen, wenn man unseren Tourneeplan kennt«, antwortete die Musikerin. »Petersburg, Hamburg, Nizza, Paris. Die klassische Drogenachse Ost-West. Und internationale Künstler haben immer eine Menge Gepäck dabei und werden an den Grenzen fast wie Diplomaten behandelt. Weià man das bei der Polizei denn nicht?«
»Schon. Ging es da denn nur um Drogen, also um Opium und so weiter? Wenn Sie diese Ost-West-Achse ansprechen, könnte man doch auch den illegalen Handel mit Doping vermuten, was ja aktuell wegen der anstehenden Tour de France naheliegt.«
»Mit Doping kenne ich mich nicht aus«. Mit einem maliziösen Blick auf Julia fügte sie hinzu: »Ich bin Musikerin, keine Sportlerin. Die behandeln ihren Körper ja wie ein Fitnesslabor.«
Julia lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber in diesem Moment erklang aus dem Kantinen-Lautsprecher die Ansage: »Die Damen und Herren des Orchesters werden wieder in den Probenraum gebeten.«
»Eine letzte Frage noch«, wollte Hopfinger noch nachlegen, aber Julia kam ihm zuvor: »Wann haben Sie Herrn Verdinand B. Müller das letzte Mal gesehen?«
Die Musikerin blieb die Antwort schuldig. »Tut mir leid, keine Zeit«. Sie raffte ihre Sachen zusammen und verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.
10. Kapitel â Ãberraschungen
Die Auswertung der Computer aus dem Müllerâschen Haus brachte so manches ans Tagelicht. Weder in Amelies noch in Kevins Rechner konnte etwas Verdächtiges festgestellt werden. Amelie hatte nur legal erworbene Musiksoftware installiert. Vieles davon kannte Kroll, weil er sich privat mit digitaler Soundbearbeitung beschäftigte. Auf Kevins Rechner fand man eine Unzahl illegaler mp3-Downloads. Doch die interessierten die Beamten nicht besonders. Verdinand B. Müllers PC jedoch erwies sich als wahre Fundgrube.
Die Informatik-Spezialisten der Polizei wunderten sich zunächst über ein primitives Virus, welches in oberflächlicher Weise den Zugang zur Festplatte erschwerte. Die Auswertung der Ereignisanzeige in der Systemsteuerung zeigte, dass der Administrator, also Müller selber, wahrscheinlich davon nichts wusste. Das Virus musste jemand anderes aufgespielt haben.
Für die Spezialisten war es ein Kinderspiel, das Virus zu isolieren und Zugriff auf die Daten zu bekommen. Deren Auswertung belegte zweierlei. Erstens musste Müller in ein internationales Dealernetz verstrickt gewesen sein. Die Daten wurden sofort an das Hamburger Drogendezernat weitergeleitet. Dabei tauchte immer wieder das Kürzel FB 67/Q auf, Krolls Meinung nach ein Hinweis auf den Gendopingstoff AICAR. Auch war eine deutliche Parallele zu den Austragungsorten der bevorstehenden Tour de France zu erkennen.
Aber noch etwas offenbarte die digitale Welt des Verdinand B. Müller. Ohne Zweifel hatte er sich zusammen mit Mörtel zur Zeit des Mordes an Mirja in Landau aufgehalten. Kroll ahnte, dass diese Daten vor einem Untersuchungsrichter nicht für einen Haftbefehl wegen Mordes ausgereicht hätten. Für Müller war diese Frage ja nun durch dessen Ableben ohnehin obsolet. Für Mörtel wurde es allerdings eng.
Für die weitere Ãberwachung der Baufirma im Gewerbegebiet Roggenhorst hatte Kroll Verstärkung von der Bereitschaftspolizei angefordert. AuÃerdem waren jetzt zwei Kollegen vom Hamburger Drogendezernat mit von der Partie. Neben dem Betriebsgelände befand sich das leere Gebäude einer
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