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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die »basta « gesagt hatte.
    Paola kam zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, Guido. Leid für sie.«
    »Sie kann noch keine Dreißig gewesen sein«, sagte er. »All die Jahre Studium, und all die Arbeit.« Es schien ihm, als wäre ihr Tod weniger unfair gewesen, wenn sie mehr Zeit gehabt hatte, ihr Leben zu genießen. »Ich hoffe, ihre Familie glaubt es nicht.«
    Paola sprach seine Gedanken aus. »Wenn die Polizei und die Armee einem etwas sagt, glaubt man es wahrscheinlich. Und ich bin sicher, es hat sehr realistisch ausgesehen, sehr überzeugend.«
    »Die armen Leute«, meinte er.
    »Könntest du...« Sie unterbrach sich, denn ihr fiel ein, daß Patta ihn angewiesen hatte, sich herauszuhalten.
    »Wenn ich kann. Es ist schlimm genug, daß sie tot ist. Sie müssen nicht auch das noch glauben.«
    »Daß sie ermordet wurde, ist auch nicht viel besser«, sagte Paola.
    »Wenigstens hat sie es nicht selbst getan.«
    Beide blieben in der herbstlichen Sonne stehen und dachten über Eltern und das Elternsein nach, und was Eltern über ihre Kinder wissen wollen und wissen müssen. Er hatte keine Ahnung, was hier besser oder schlechter war. Wenn einer wußte, daß sein Kind ermordet worden war, bestand für ihn immer noch die düstere Hoffnung, eines Tages den Menschen umbringen zu können, der es getan hatte, aber das schien kaum ein angemessener Trost.
    »Ich hätte sie anrufen sollen.«
    »Guido«, sagte sie energisch, »fang nicht so an. Das heißt doch, du hättest Gedankenleser sein müssen. Und das bist du nicht. Fang also gar nicht erst an, so etwas zu denken.« Der aufrichtige Zorn in ihrer Stimme überraschte ihn.
    Er legte den Arm um ihre Taille und zog sie an sich. So verharrten sie, bis die Glocken von San Marco zehn schlugen.
    »Was willst du machen? Nach Vicenza fahren?«
    »Nein, noch nicht. Ich warte, bis jemand zu mir kommt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Was immer die beiden wußten, das wußten sie durch ihre Arbeit. Die ist das Verbindungsglied. Es muß andere geben, die etwas wissen oder vermuten oder Zugang zu dem haben, was die beiden wußten. Ich werde also warten.«
    »Guido, jetzt verlangst du von anderen, daß sie Gedanken lesen können. Woher wissen sie, daß sie zu dir kommen sollen?«
    »Ich fahre ja hin, aber erst in einer Woche, und dann sorge ich dafür, daß ich auffalle. Ich rede mit dem Major, dem Sergeant, der mit ihnen gearbeitet hat, den anderen Ärzten. Es ist eine kleine Welt da draußen. Die Leute werden untereinander reden; sie werden irgend etwas wissen.« Und zum Teufel mit Patta.
    »Vergessen wir Burano, Guido, ja?«
    Er nickte und stand auf. »Ich glaube, ich gehe ein Stück spazieren. Zum Essen bin ich zurück.« Er drückte ihren Arm. »Ich muß nur ein Stückchen laufen.« Er warf einen Blick über die Dächer der Stadt. Wie seltsam; die Schönheit des Tages war ungetrübt. Vor ihm flogen hell zwitschernd vor Freude am Fliegen die Spatzen und spielten Haschmich. Und etwas weiter entfernt blitzte das Gold an den Flügeln des Engels auf dem Glockenturm von San Marco in der Sonne, und sein glitzernder Segen ergoß sich über die ganze Stadt.

16
    Am Montag ging er morgens zur normalen Zeit in sein Büro und blieb über eine Stunde am Fenster stehen, um sich die Fassade von San Lorenzo anzusehen. Die ganze Zeit über war nicht das geringste Anzeichen einer Bewegung oder irgendeiner Aktivität zu erkennen, weder auf dem Gerüst noch auf dem Dach, das vollgepackt war mit Reihen neuer Terrakottaziegel. Zweimal hörte er Leute in sein Büro kommen, aber da sie keine Anstalten machten, ihn anzusprechen, drehte er sich nicht einmal um, und sie gingen wieder, wahrscheinlich nachdem sie ihm irgend etwas auf den Schreibtisch gelegt hatten.
    Um halb elf klingelte das Telefon, und er wandte sich vom Fenster ab, um das Gespräch entgegenzunehmen.
    »Guten Morgen, Commissario. Hier ist Maggior Ambrogiani.«
    »Guten Morgen, Maggiore. Ich bin froh, daß Sie anrufen. Eigentlich wollte ich heute nachmittag bei Ihnen anrufen.«
    »Sie wurde heute vormittag gemacht«, sagte Ambrogiani ohne Einleitung.
    »Und?« fragte Brunetti, der wußte, was gemeint war.
    »Eine Überdosis Heroin, ausreichend für jemanden, der doppelt so groß war wie sie.«
    »Wer hat die Autopsie gemacht?«
    »Dottor Francesco Urbani. Einer von uns.«
    »Wo?«
    »Hier im Krankenhaus Vicenza.«
    »War jemand von den Amerikanern dabei?«
    »Sie haben einen von ihren Ärzten geschickt. Extra aus

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