Brunetti 04 - Vendetta
Gegenzug erlaubt, ihre Medikamentenpreise zu erhöhen; aber daß Favero der Steuerberater war, der die privaten Finanzen des Direktors der größten dieser Firmen verwaltete, gehörte noch nicht zum Allgemeinwissen. Wer davon wußte, nahm an, daß Favero beschlossen hatte, es denen nachzutun, deren Namen sich in diesem weitgespannten Korruptionsnetz schon verfangen hatten, und er seine Ehre retten wollte, indem er sich der Anklage, dem Urteil und einer möglichen Bestrafung entzog. Nur wenige stellten offenbar in Frage, daß man so seine Ehre retten könne.
Drei Tage nach Faveros Tod, also fünf Tage nach dem Mord an Trevisan, kam Brunetti in sein Büro, als gerade das Telefon klingelte.
»Brunetti«, meldete er sich, in der einen Hand den Hörer, während er mit der anderen seinen Regenmantel aufknöpfte.
»Commissario Brunetti, hier spricht Capitano della Corte von der Polizei in Padua.« Den Namen hatte Brunetti schon einmal gehört, wußte aber nur noch, daß es in einem für della Corte positiven Zusammenhang gewesen war.
»Guten Morgen, Capitano. Was kann ich für Sie tun?«
»Sie können mir sagen, ob Ihnen der Name Rino Favero im Zusammenhang mit dem Mord im Intercity untergekommen ist.«
»Favero? Der Mann, der Selbstmord verübt hat?«
»Selbstmord?« fragte della Corte. »Mit vier Milligramm Rohypnol im Blut?«
Brunetti war sofort hellwach. Mit so viel Schlafmittel im Blut konnte niemand mehr laufen, geschweige denn Auto fahren. »Was für ein Zusammenhang besteht mit Trevisan?« fragte er.
»Das wissen wir noch nicht. Aber wir haben alle Telefonnummern überprüft, die in seinem Adreßbuch stehen, das heißt alle, bei denen kein Name stand. Trevisans Nummer war eine davon.«
»Haben Sie die Liste schon?« Brunetti mußte nicht erklären, daß er die Liste der Telefonate meinte, die von Faveros Anschluß aus geführt worden waren.
»Ein Anruf bei Trevisan ist nicht registriert, weder bei ihm zu Hause noch in der Kanzlei, jedenfalls nicht von seinem eigenen Anschluß aus.«
»Wozu hatte er dann die Nummer?« fragte Brunetti.
»Das ist genau die Frage, die wir uns auch stellen.« Della Cortes Ton war trocken.
»Wie viele Nummern waren denn sonst noch ohne Namen aufgeführt?«
»Acht. Eine davon ist eine Bar in Mestre, eine ist eine öffentliche Telefonzelle im Bahnhof von Padua. Die anderen gibt es nicht.«
»Wie meinen Sie das, die gibt es nicht?«
»Daß sie alle nicht als Telefonnummern in der Region Veneto in Frage kommen.«
»Und in anderen Städten, anderen Provinzen?«
»Haben wir überprüft. Entweder haben sie zu viele Stellen, oder sie entsprechen nicht dem Nummernsystem hierzulande.«
»Ausland?«
»Die einzige Möglichkeit.«
»Irgendeine Ländervorwahl vielleicht?«
»Zwei sehen so aus, als könnten sie nach Osteuropa passen, zwei entweder nach Ecuador oder Thailand. Und fragen Sie mich bitte nicht, woher die Leute, die mir das gesagt haben, es wissen«, antwortete della Corte. »Und keine dieser Nummern hat er je von einem seiner Anschlüsse aus angerufen, weder die ausländischen noch die hiesigen.«
»Aber er hatte sie notiert«, sagte Brunetti.
»Ja, das hatte er.«
»Er hätte ohne weiteres von einer öffentlichen Zelle aus telefonieren können«, gab Brunetti zu bedenken.
»Ich weiß, ich weiß.«
»Und sonstige Auslandsgespräche? Hat er in irgendeinem Land besonders häufig angerufen?« »Er hat in vielen Ländern häufig angerufen.«
»Internationale Kundschaft?« fragte Brunetti.
»Manche waren Gespräche mit Kunden, ja. Aber viele lassen sich niemandem zuordnen, für den er tätig war.«
»Welche Länder sind das denn?« wollte Brunetti wissen.
»Österreich, Niederlande, Dominikanische Republik«, begann della Corte, dann sagte er: »Warten Sie, ich hole die Liste.« Der Hörer wurde hingelegt, Brunetti hörte Papier rascheln, darauf wieder della Cortes Stimme. »Und Polen, Rumänien und Bulgarien.«
»Wie oft hat er dort angerufen?«
»In manchen Ländern zweimal die Woche.«
»Immer dieselbe Nummer, oder Nummern?«
»Oft ja, aber nicht immer.«
»Gehen Sie denen nach?«
»Die österreichische Nummer gehört einem Reisebüro in Wien.«
» Und die anderen? «
»Commissario, ich weiß nicht, wie gut Sie sich in Osteuropa auskennen, aber die haben nicht mal Telefonbücher, geschweige denn eine Vermittlung, die Ihnen sagen kann, wem ein Anschluß gehört.«
»Und die Polizei?«
Della Corte schnaubte verächtlich.
»Haben Sie die Nummern mal
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