Brunetti 04 - Vendetta
nicht so lustig.« Rondini schüttelte mit einem Achselzucken alles Unbehagen ab, das er deswegen empfinden mochte, und fügte hinzu: »Und ihre Familie fände das Ganze noch weniger lustig.«
»Und Sie sind zu mir gekommen, um zu sehen, ob ich da etwas machen kann?«
»Ja. Elettra hat mir so viel von Ihnen erzählt, von dem Einfluß, den Sie hier in der Questura haben.« Rondinis Ton war bei diesen Worten voller Hochachtung und, schlimmer noch, voller Hoffnung.
Brunetti tat das Kompliment mit einem Achselzucken ab. »Was haben Sie sich denn vorgestellt?«
»Ich brauche zweierlei«, begann Rondini. »Erstens hätte ich gern eine Änderung in meiner Akte...« Als er sah, daß Brunetti etwas einwenden wollte, fügte er schnell hinzu: »Das ist für Sie doch sicher eine Kleinigkeit.«
»Es bedeutet immerhin die Änderung eines amtlichen Dokuments«, sagte Brunetti in einem Ton, in dem doch hoffentlich die gebotene Strenge lag.
»Aber Elettra sagt, das ist...«, begann Rondini, bremste sich aber sogleich.
Brunetti wollte lieber nicht wissen, wie dieser Satz sonst zu Ende gegangen wäre, und sagte deshalb: »So etwas klingt vielleicht sehr viel einfacher, als es ist.«
Jetzt sah Rondini ihn an, den unausgesprochenen Einwand deutlich im Blick. »Darf ich noch das zweite sagen?«
»Natürlich.«
»Ich brauche einen Brief, in dem steht, daß die ganze Anzeige ein Irrtum war und ich vor Gericht freigesprochen wurde. Es könnte auch nicht schaden, wenn eine Entschuldigung für meine Ungelegenheiten drinstände.«
Brunetti war versucht, den Vorschlag als unmöglich zurückzuweisen, fragte aber statt dessen: »Wozu brauchen Sie diesen Brief?«
»Für meine Verlobte. Und ihre Familie. Für den Fall, daß sie je davon erfahren.«
»Aber wenn die Akte abgeändert wird, wozu dann noch der Brief?« wollte Brunetti wissen, korrigierte sich aber sofort, indem er hinzufügte: »Das heißt, falls die Akte überhaupt abgeändert werden kann.«
»Machen Sie sich keine Gedanken um die Akte, Dottore.« Rondini sprach mit einer Autorität, die Brunetti zwangsläufig daran erinnerte, daß der junge Mann in der EDV-Abteilung der Telecom arbeitete, und gleich fiel ihm auch der rechteckige kleine Kasten auf Signorina Elettras Schreibtisch wieder ein.
»Und von wem soll dieser Brief kommen?«
»Am liebsten wäre mir, er käme vom Questore«, begann Rondini, doch dann fügte er rasch hinzu: »Aber das ist unmöglich, ich weiß.« Brunetti sah, daß Rondinis Hände, kaum daß sich eine Einigung andeutete und anscheinend nur noch die Details zu verhandeln blieben, zu flattern aufgehört hatten und ganz ruhig in seinem Schoß lagen; der Mann wirkte sogar richtig entspannt.
»Würde ein Brief von einem Commissario auch genügen?«
»Ja, das denke ich schon«, antwortete Rondini.
»Und wie soll das Protokoll in unseren Akten gelöscht werden?«
Rondini machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ein Tag. Oder zwei.«
Brunetti wollte gar nicht wissen, wer von den beiden, Rondini oder Elettra, es machen würde, also fragte er nicht danach. »Ich werde im Lauf der Woche einmal Ihren Namen durch den Computer laufen lassen und sehen, ob wir etwas über Sie in den Akten haben.«
»Da werden Sie nichts finden«, versicherte Rondini, aber es lag keine Arroganz in dieser Feststellung, nur schlichte Gewißheit.
»Sobald ich das weiß, schreibe ich den Brief.«
Rondini stand auf und streckte die Hand über den Schreibtisch. »Wenn ich Ihnen je einen Gefallen tun kann, Commissario, irgendeinen, Sie wissen ja, wo ich arbeite.« Brunetti begleitete ihn zur Tür, und als er fort war, ging er nach unten, um mit Signorina Elettra zu sprechen.
»Haben Sie sich mit ihm verständigt?« fragte sie, als Brunetti eintrat.
Brunetti wußte nicht recht, ob er beleidigt sein sollte, weil sie so ohne weiteres voraussetzte, daß es für ihn das Normalste auf der Welt sei, über eine Abänderung amtlicher Dokumente zu sprechen und einen völlig verlogenen Brief zu schreiben.
Er verlegte sich lieber auf Ironie. »Ich staune, daß Sie ihn überhaupt erst zu mir geschickt haben. Daß Sie die Sache nicht gleich selbst in die Hand genommen haben.«
Sie strahlte. »Na ja, daran habe ich natürlich auch gedacht, aber dann fand ich es eigentlich ganz gut, daß Sie mal mit ihm reden.«
»Wegen der Abänderung der Akten?«
»Ach was. Das hätten Giorgio oder ich in einer Minute erledigen können«, meinte sie wegwerfend.
»Gibt es nicht so etwas wie ein geheimes
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