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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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umfassenderes, persönlicheres Wissen.
    Major de Vedia in Rio konnte weder Brunettis Besorgnis teilen noch seine Empörung verstehen. Schließlich waren erst diese Woche sieben seiner Beamten verhaftet worden, weil sie sich als Exekutionskommando bei Geschäftsleuten verdingt hatten, die sie dafür bezahlten, daß sie die Straßenkinder umbrachten, die ihre Ladeneingänge versperrten. »Die nach Europa gehen, sind noch gut davongekommen, Guido«, sagte er, bevor er auflegte. Brunettis Kontaktmann in Bangkok war ebenso verständnislos. »Commissario, über die Hälfte der hiesigen Prostituierten haben Aids. Die Mädchen, die aus Thailand rauskommen, können von Glück reden.«
    Die ergiebigste Quelle war Pia, die er zu Hause antraf, weil ihre Hündin Luna, ein Golden Retriever, gerade ihren ersten Wurf erwartete. Ihr war die Geschichte nicht neu, sie wunderte sich nur, daß die Polizei sich damit abgab. Als sie hörte, daß Brunettis Interesse durch den Tod dreier Geschäftsleute geweckt worden war, lachte sie lange und laut. Die Mädchen, erklärte sie, als sie wieder Luft bekam, stammten von überallher; manche arbeiteten auf der Straße, aber viele würden in festen Häusern gehalten, wo man sie besser unter Kontrolle habe. Ja, sie würden ganz schön mißhandelt, wenn nicht von denen, die sie für sich arbeiten ließen, dann von so manchem unter denen, die sie benutzten. Sich beschweren? Bei wem? Sie hätten keine Papiere, und man habe ihnen eingeredet, daß schon ihre Anwesenheit in Italien ein Verbrechen sei; manche lernten nicht einmal Italienisch. Schließlich arbeiteten sie in einem Gewerbe, in dem brillante Konversation nicht unbedingt gefragt war.
    Pia hatte nicht direkt etwas gegen sie, allerdings machte sie kein Hehl daraus, daß ihr die Konkurrenz nicht paßte. Sie und ihre Freundinnen, die alle keinen Zuhälter hatten, erfreuten sich zumindest einer gewissen finanziellen Stabilität - Wohnung, Auto, manche besaßen sogar ein Haus -, aber diese Ausländerinnen hatten nichts und konnten es sich folglich nicht leisten, einen Kunden abzuweisen, egal was er von ihnen verlangte. Ihnen und den Drogenabhängigen ging es am dreckigsten, sie nahmen alles, ließen sich zu allem zwingen. Ohnmächtig wurden sie zu Zielscheiben jeglicher Brutalität und, schlimmer noch, zu Krankheitsüberträgerinnen.
    Er fragte, wie viele es davon im Veneto gebe, und Pia meinte lachend, so weit könne er gar nicht zählen. Aber dann bellte plötzlich Luna so laut, daß sogar Brunetti es hörte, und Pia sagte, sie müsse jetzt fort.
    »Wer zieht die Fäden, Pia?« fragte er in der Hoffnung, wenigstens noch eine Antwort zu bekommen, bevor sie auflegte.
    »Big business, Dottore«, sagte Pia. »Fragen Sie doch gleich, wer bei den Banken oder an der Börse die Fäden zieht. Es sind die gleichen Männer mit teuren Haarschnitten und Maßanzügen. Sonntags in die Kirche, täglich ins Büro, und wenn gerade keiner hinsieht, zählen sie nach, wieviel sie an den Frauen verdient haben, die auf dem Rücken arbeiten. Wir sind eine Handelsware wie alles andere, Dottore. Warten Sie noch ein bißchen, und wir werden an der Termingeschäftsbörse gehandelt.« Pia lachte, erfand noch rasch einen unfeinen Namen für diese Art Termingeschäfte, dann heulte Luna, und Pia legte auf.
    Brunetti nahm sein Blatt Papier und stellte ein paar einfache Rechnungen an. Er schätzte den Durchschnittspreis für eine Nummer mal so etwa auf 50.000 Lire; dann mußte er sich eingestehen, daß er keine Ahnung hatte, wie viele es am Tag wohl sein mochten. Er beschloß, daß die Zahl Zehn seine Multiplikationen vereinfachen würde, und setzte Zehn ein. Selbst bei freiem Wochenende, und er bezweifelte, daß den Frauen dieser Luxus zugestanden wurde, kam er auf zweieinhalb Millionen Lire pro Woche, zehn Millionen Lire im Monat. Um die Sache zu vereinfachen, setzte er hundert Millionen Lire im Jahr an, dann halbierte er diese Summe zum groben Ausgleich für eventuelle Fehler in seinen bisherigen Berechnungen. Als er danach versuchte, das Ergebnis mit einer halben Million malzunehmen, hatte er für die Endsumme kein Zahlwort mehr und mußte sich damit begnügen, die Nullen hinter der 25 zu zählen: Er kam auf zwölf. Pia hatte recht; das war in der Tat big business.
    Instinkt und Erfahrung sagten ihm, daß von Mara oder ihrem Zuhälter keine weiteren Informationen zu erwarten waren. Er rief unten bei Vianello an und fragte, ob man den Optiker schon gefunden habe, von dem die

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