Brunetti 05 - Acqua alta
ging es bei dem geplanten Treffen?«
»Ich weiß es nicht. Keramiken wahrscheinlich, aber sie war zu sehr mit Schmerzmitteln vollgestopft, um eine klare Aussage zu machen. Wissen Sie etwas über ihn?«
»Nicht mehr als jeder hier in der Stadt, Commissario. Er ist seit etwa sieben Jahren am Museum. Verheiratet, die Frau stammt aus Messina, glaube ich. Oder sonst irgendwo aus Sizilien. Keine Kinder. Gute Familie, und sein Ruf am Museum ist auch gut.«
Brunetti machte sich erst gar nicht die Mühe, Vianello zu fragen, wie er an diese Informationen gekommen war, denn das Archiv an persönlichen Daten, das der Sergente im Lauf seiner Dienstjahre angelegt hatte, konnte ihn inzwischen nicht mehr überraschen. Statt dessen sagte er: »Sehen Sie zu, was Sie über ihn in Erfahrung bringen können. Wo er früher gearbeitet hat und warum er dort weggegangen ist, wo er studiert hat.«
»Wollen Sie mit ihm sprechen, Commissario?«
Brunetti überlegte kurz. »Nein. Wenn der Mensch, der diese Leute geschickt hat, ihr Angst einjagen wollte, soll er ruhig glauben, daß es ihm gelungen ist. Aber ich will wissen, was es über ihn in Erfahrung zu bringen gibt. Und erkundigen Sie sich nach diesen Gorillas in Mestre, ja?«
»Ja, Commissario«, antwortete Vianello und notierte sich das. »Haben Sie die Dottoressa gefragt, ob sie sich an den Akzent der Männer erinnert?«
Daran hatte Brunetti auch schon gedacht, aber er hatte bei Brett zu wenig Zeit gehabt. Ihr Italienisch war perfekt, so daß der Akzent der Männer ihr wahrscheinlich etwas darüber gesagt hatte, aus welchem Teil des Landes sie kamen. »Ich werde sie morgen fragen.«
»Inzwischen sehe ich mal zu, was ich über die Männer in Mestre herausbekommen kann«, sagte Vianello. Damit erhob er sich ächzend von dem Stuhl und ging.
Brunetti schob seinen Stuhl zurück, zog mit der Fußspitze die unterste Schublade seines Schreibtischs auf und legte die Füße über Kreuz darauf. Er lehnte sich weit zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, drehte sich um und sah aus dem Fenster. Aus diesem Winkel war die Fassade von San Lorenzo nicht zu sehen, aber dafür ein Stück bewölkter Spätwinterhimmel, der ihn vielleicht inspirieren konnte.
Sie hatte etwas über die Keramiken in der Ausstellung gesagt, und das konnte sich nur auf die Ausstellung beziehen, an deren Einrichtung sie vor vier oder fünf Jahren beteiligt gewesen war und bei der westliche Museumsbesucher zum erstenmal in neuerer Zeit die Wunder hatten sehen können, die derzeit in China ausgegraben wurden. Und in China hatte er auch Brett vermutet.
Ihr Name in dem Protokoll hatte ihn überrascht, ihr mißhandeltes Gesicht im Krankenhaus ihn schockiert. Seit wann war sie wieder hier? Wie lange wollte sie bleiben? Und warum war sie in Venedig? Flavia Petrelli würde ihm vielleicht einige dieser Fragen beantworten können; sie mochte selbst die Antwort auf einige davon sein. Aber das hatte Zeit. Im Augenblick interessierte er sich mehr für Dottor Semenzato.
Unvermittelt ließ er seinen Stuhl nach vorn kippen, griff zum Telefon und wählte aus dem Gedächtnis eine Nummer.
»Allò?« meldete sich die bekannte, tiefe Stimme.
»Ciao, Lele«, antwortete Brunetti. »Warum bist du nicht unterwegs und malst?«
» Ciao, Guido, come stai?« Und ohne auf eine Antwort zu warten, erklärte er: »Zuwenig Licht. Ich war heute morgen an der Fondamenta delle Zattere, bin aber unverrichteter Dinge zurückgekommen. Das Licht ist flach, tot. Da habe ich lieber Mittagessen für Claudia gemacht.«
»Wie geht es ihr?«
»Danke, gut. Und Paola?«
»Gut. Den Kindern auch. Hör mal, Lele, ich möchte gern mit dir reden. Hast du heute nachmittag etwas Zeit für mich?«
»Nur so reden, oder als Polizist?«
»Als Polizist, leider. Glaube ich wenigstens.«
»Ich bin ab drei in der Galerie, wenn du vorbeikommen willst. Bis gegen fünf.« Im Hintergrund hörte Brunetti ein Zischen und ein gemurmeltes puttana Eva, dann sagte Lele: »Guido, ich muß Schluß machen. Die Pasta kocht über.« Brunetti hatte kaum noch Zeit, sich zu verabschieden, bevor der Hörer aufgelegt wurde.
Wenn jemand ihm etwas über Semenzatos Ruf sagen konnte, dann Lele. Gabriele Cossato, Maler, Antiquitätenhändler, Liebhaber schöner Dinge, war ebensosehr ein Teil Venedigs wie die vier Tetrarchen, die auf ewig plaudernd rechts an der Fassade von San Marco standen. So lange Brunetti zurückdenken konnte, hatte es Lele gegeben. Wenn Brunetti an seine Kindheit
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