Brunetti 05 - Acqua alta
erklärte er schlicht.
»Hast du sie überzeugt?«
Lele überlegte kurz, ob er beleidigt sein sollte, aber dann fiel ihm ein, daß Brunetti schließlich nur ein Polizist war. »Die Kuratoren haben beschlossen, die Stücke nicht zu erwerben.«
»Und wer hatte sie erwerben wollen?« Brunetti kannte die Antwort schon.
»Semenzato.«
»Und wer hat sie ihm angeboten?«
»Das haben wir nie erfahren. Semenzato sagte, es sei ein Privatverkauf, er sei von einem Händler angesprochen worden, der die Stücke im Auftrag verkaufen wollte, zwei Teller, angeblich florentinisch, vierzehntes Jahrhundert, und zwei venezianische. Die letzteren beiden waren echt.«
»Alle aus derselben Quelle?«
»Ich glaube, ja.«
»Könnte es sein, daß sie gestohlen waren?« wollte Brunetti wissen.
Lele dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. »Vielleicht. Aber bei so bedeutenden Stücken weiß man, wenn sie echt sind, Bescheid. Alle Weiterverkäufe werden festgehalten, und wer sich mit Fayencen auskennt, weiß ziemlich genau, wer die besten Stücke besitzt oder wo sie verkauft werden. Aber diese Frage stellte sich bei den florentinischen Stücken nicht, sie waren ja gefälscht.«
»Wie hat Semenzato reagiert, als du sagtest, sie seien falsch?«
»Oh, er war sehr froh, daß ich es bemerkt und das Museum vor einer peinlichen Erwerbung bewahrt hatte. So hat er's genannt - ›eine peinliche Erwerbung‹ -, als ob es völlig in Ordnung sei, daß der Händler ihm Fälschungen anzudrehen versucht.«
»Hast du darüber etwas zu ihm gesagt?« fragte Brunetti.
Lele zuckte die Achseln, eine Gebärde, in der Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende Überlebenskampf lagen. »Ich hatte nicht das Gefühl, daß er das hören wollte.«
»Und wie ging es weiter?«
»Er hat gesagt, er werde die Stücke dem Händler zurückgeben und ihm sagen, das Museum sei am Erwerb dieser beiden Teller nicht interessiert.«
»Und die anderen?«
»Die hat das Museum gekauft.«
»Vom selben Händler?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Hast du gefragt, wer das war?«
Diese Frage trug Brunetti wieder einen dieser Blicke ein. »So etwas fragt man nicht«, erklärte Lele.
Brunetti kannte Lele schon sein Leben lang, darum fragte er jetzt: »Haben die Kuratoren es dir gesagt?«
Lele lachte lauthals vor Vergnügen über die Leichtigkeit, mit der Brunetti ihn vom hohen Roß herunterholte. »Ich habe einen von ihnen gefragt, aber sie hatten keine Ahnung. Semenzato hatte den Namen nie erwähnt.«
»Woher wußte er, daß der Verkäufer nicht versuchen würde, die Stücke, die er zurückbekam, erneut zu verkaufen, an ein anderes Museum oder einen Privatsammler?«
Lele setzte sein schiefes Lächeln auf, bei dem sich der eine Mundwinkel nach unten, der andere nach oben verzog, ein Lächeln, das für Brunetti immer der treffendste Ausdruck des italienischen Charakters gewesen war; nie ganz finster, nie ganz heiter, aber jederzeit bereit, von dem einen auf das andere umzuschalten. »Ich habe keinen Sinn dann gesehen, ihn darauf aufmerksam zu machen.«
»Warum nicht?«
»Ich hatte nie den Eindruck, daß er ein Mensch ist, der sich gern etwas fragen oder sagen läßt.«
»Aber du solltest die Teller begutachten.«
Wieder dieses Grinsen. »Das waren die Kuratoren. Darum meine ich ja, er läßt sich nicht gern etwas sagen. Er hat nicht gern von mir gehört, die Stücke seien nicht echt. Er war höflich und hat mir für meine Hilfe gedankt, das Museum müsse mir dafür dankbar sein, meinte er. Aber gern gehört hat er es nicht.«
»Interessant, oder?« fragte Brunetti.
»Sehr«, stimmte Lele zu, »besonders bei einem Mann, dessen Aufgabe es ist, die Bestände des Museums sauberzuhalten. Und«, fügte er hinzu, »dafür zu sorgen, daß Fälschungen nicht auf dem Markt bleiben.« Er ging an Brunetti vorbei durch den Raum, um an der gegenüberliegenden Wand ein Bild geradezurücken.
»Gibt es sonst noch etwas über ihn zu wissen?« fragte Brunetti.
Lele stand abgewandt, den Blick auf seinem eigenen Gemälde. »Ich denke«, antwortete er, »es gibt wahrscheinlich noch viel mehr, was du über ihn wissen solltest.«
»Zum Beispiel?«
Lele kam wieder zu ihm zurück und sah sich das Bild aus größerer Entfernung an. Er schien zufrieden mit seiner Korrektur oder was er sonst daran gemacht hatte. »Nichts Bestimmtes. Er ist hier in der Stadt sehr geachtet und hat viele Freunde in hohen Positionen.«
»Was meinst du dann?«
»Guido, unsere Welt ist klein«, begann Lele, dann hielt
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