Brunetti 05 - Acqua alta
können Sie mir nicht wenigstens eine ungefähre Vorstellung geben, wie hoch der Wert wäre?«
Sie brauchte ein Weilchen, sich eine Antwort zurechtzulegen. »Der Preis wäre der, den der Verkäufer verlangt oder den der Käufer zu zahlen bereit ist. Der Marktpreis könnte - in Dollar ausgedrückt - bei Hunderttausend liegen? Zweihunderttausend? Vielleicht mehr? Aber wie gesagt, es gibt eigentlich keine Preise, weil es nur so wenige Stücke dieser Qualität gibt. Es würde ganz allein davon abhängen, wie sehr der Käufer das Stück haben möchte und wieviel Geld er hat.«
Brunetti übersetzte ihre Preise in Hunderte von Millionen Lire: Drei? Vier? Bevor er mit seiner Berechnung fertig war, fuhr sie fort: »Das gilt nur für die Töpferwaren, die Vasen. Meines Wissens ist keine der Soldatenstatuen verschwunden, doch wenn das je passieren sollte, gäbe es wirklich keinen Preis, den man dafür ansetzen könnte.«
»Aber der Besitzer könnte sie auch auf keinen Fall öffentlich zeigen, oder?« fragte Brunetti.
Jetzt lächelte sie. »Leider gibt es Leute, die gar keinen Wert darauf legen, Dinge öffentlich zu zeigen. Sie wollen nur besitzen, wissen, daß ein bestimmtes Stück ihnen gehört. Ich weiß nicht, ob es Schönheitsempfinden ist, was sie treibt, oder nur Besitzgier, aber glauben Sie mir, es gibt Menschen, die einfach nur ein Stück in ihrer Sammlung haben wollen, auch wenn es nie jemand sieht. Außer ihnen selbst natürlich.« Sie sah sein skeptisches Gesicht und fragte: »Erinnern Sie sich an diesen japanischen Multimillionär, der mit seinem van Gogh begraben werden wollte?«
Brunetti entsann sich, irgendwann im letzten Jahr etwas darüber gelesen zu haben. Angeblich hatte der Mann das Bild bei einer Auktion gekauft und dann in seinem Testament verfügt, daß er damit beerdigt werden sollte, oder in der richtigen Reihenfolge der Wichtigkeit: Das Bild sollte mit ihm beerdigt werden. Er erinnerte sich an den Sturm, den das in der Kunstwelt ausgelöst hatte. »Am Ende hat er aber eingelenkt und gesagt, er wolle das doch nicht, oder?«
»So war es wenigstens zu hören«, bestätigte sie. »Ich habe die Geschichte nie geglaubt, ich erwähne sie nur, um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wie manche Leute zu ihren Besitztümern stehen, daß sie glauben, ihr Besitzrecht sei das absolute Maß oder der eigentliche Zweck des Sammelns, nicht die Schönheit des Objekts.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich erkläre das nicht sehr gut, aber wie ich schon sagte, mir ist das alles unverständlich.«
Brunetti gab sich mit ihrer Antwort auf seine ursprüngliche Frage nicht zufrieden. »Aber ich weiß immer noch nicht, woran Sie eindeutig erkennen, ob etwas ein Original oder eine Kopie ist.« Bevor sie antworten konnte, setzte er hinzu: »Ein Freund hat mir von diesem sechsten Sinn erzählt, den man dafür entwickelt; daß etwas einfach richtig oder falsch aussieht. Aber das ist doch sehr subjektiv. Ich meine, wenn zwei Experten unterschiedlicher Meinung sind, der eine sagt, ein Stück ist echt, der andere, es ist eine Kopie, wie löst man dann diesen Widerspruch? Zieht man einen dritten Experten hinzu und stimmt dann ab?« Er lächelte, um ihr zu zeigen, daß er nur Spaß machte, aber ein anderer Ausweg aus einer solchen Situation fiel ihm tatsächlich nicht ein.
Ihr Lächeln sagte ihm, daß sie den Scherz verstanden hatte. »Nein, dann rufen wir die Techniker. Es gibt einige Tests, mit denen man das Alter eines Gegenstands bestimmen kann.« Mit veränderter Stimme fragte sie plötzlich: »Wollen Sie sich das wirklich alles anhören?«
»Ja.«
»Ich will versuchen, nicht allzusehr ins Detail zu gehen«, sagte sie, während sie die Beine auf dem Sofa unter sich zog. »Es gibt alle möglichen Verfahren, die wir bei Bildern anwenden können: Analyse der chemischen Zusammensetzung von Farben, um festzustellen, ob sie der Zeit entsprechen, zu der das Bild angeblich gemalt wurde; Röntgenaufnahmen, die zeigen, was unter der Farbschicht ist; sogar die Radiokarbonmethode.« Brunetti nickte, um zu zeigen, daß er das alles kannte.
»Aber wir sprechen nicht von Gemälden«, warf er ein.
»Richtig. Die Chinesen haben nie mit Ölfarben gearbeitet, jedenfalls nicht zu der Zeit, um die es bei der Ausstellung ging. Die meisten Stücke waren Keramiken und Metallarbeiten. Ich habe mich nie sehr für die Metallsachen interessiert, aber ich weiß, daß es so gut wie unmöglich ist, sie mit wissenschaftlichen Methoden zu
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