Brunetti 05 - Acqua alta
reichen Mannes, wenn er ihn sah. Ohne erkennbare Regelmäßigkeit waren große Summen eingezahlt worden; ebenso gab es Auszahlungen von fünfzig Millionen und mehr, auch diese ohne erkennbares Schema. Bei seinem Tod hatte Semenzatos Guthaben sich auf zweihundert Millionen Lire belaufen, ein enormer Betrag für ein Sparkonto. Die zweite Seite des Bankauszugs zeigte, daß er noch einmal doppelt soviel in Staatsanleihen angelegt hatte. Eine wohlhabende Ehefrau? Glück an der Börse? Oder etwas anderes?
Auf den nächsten Blättern waren die Auslandsgespräche aufgelistet, die er von seinem Dienstapparat aus geführt hatte. Es war eine stattliche Zahl, aber auch hier konnte Brunetti kein Schema erkennen.
Dann kamen Kopien von Semenzatos Kreditkartenquittungen der letzten zwei Jahre, die Brunetti immerhin Auskunft über die Flugtickets gaben, die er damit bezahlt hatte. Rasch überflog er die Eiste und war erstaunt, wie oft und wie weit der Mann in der Welt herumgereist war. Offenbar hatte der Museumsdirektor so selbstverständlich ein Wochenende in Bangkok verbracht wie ein anderer eines in seinem Wochenendhäuschen am Strand. Semenzato war mal eben für drei Tage nach Taipeh geflogen und hatte auf dem Rückweg in London übernachtet. Die Abrechnungen seiner zwei Kundenkreditkarten bewiesen, daß Semenzato unterwegs nicht gerade geknausert hatte.
Darunter lag ein Stapel Faxe. Auf dem ersten stand in Signorina Elettras Handschrift die Bemerkung: »Interessanter Mann, dieser Signor La Capra.« Salvatores Vater hatte keine feststellbaren Einkünfte; demnach war er wohl ohne Beruf oder feste Anstellung. Dafür nannte er auf seinen Steuererklärungen der letzten drei Jahre als Beruf »Berater«, ein Wort, das in Verbindung mit seinem Herkunftsort Palermo bei Brunetti die Alarmglocken schrillen ließ. Aus den Bankauszügen ging hervor, daß auf seine verschiedenen Konten hohe Summen in interessanten, um nicht zu sagen verdächtigen Währungen geflossen waren: kolumbianische Pesos, ecuadorianische Sucres und pakistanische Rupien. Außerdem fand Brunetti eine Rechnungskopie für den venezianischen Palazzo, den La Capra vor zwei Jahren gekauft hatte; da mußte er bar bezahlt haben, denn auf keinem seiner Konten erschien eine entsprechende Auszahlung.
Es war Signorina Elettra nicht nur gelungen, Kopien von La Capras Kontoauszügen zu bekommen, sondern auch eine ebenso vollständige Sammlung seiner Kreditkartenquittungen wie bei Semenzato. Da Brunetti nur zu gut wußte, wie lange so etwas auf legalem Wege dauerte, mußte er wohl oder übel akzeptieren, daß sie inoffiziell vorgegangen war, und das hieß wahrscheinlich illegal. Er räumte das ein und las weiter. Sotheby's und das Kartenbüro der Metropolitan Opera in New York, Christie's und Covent Garden in London sowie die Oper in Sydney, offenbar auf der Rückreise von einem Wochenende in Taipeh. In Bangkok, wohin La Capra für ein Wochenende geflogen war, hatte er natürlich im Oriental gewohnt. Hier blätterte Brunetti zurück zu Semenzatos Reisen und seinen Kreditkartenquittungen. Er legte die Blätter nebeneinander: La Capra und Semenzato hatten dieselben beiden Nächte im Oriental verbracht. Brunetti legte die Papiere in zwei vertikalen Reihen nebeneinander. Obwohl beide Männer oft zu denselben Orten gereist waren, hatten sie das nie wieder auch zur selben Zeit getan.
Auf den letzten Blättern stand oben Murinos Name, und sie enthielten die gleichen Informationen, wie Signorina Elettra sie für die beiden anderen zusammengetragen hatte. Die Kontoauszüge wiesen ihn als solventen Kunden aus, wenn man ihn auch kaum als reich bezeichnen konnte. Er benutzte seine Kreditkarte nur innerhalb Italiens, denn alle Quittungen waren in Lire ausgestellt. Neben drei Quittungen für Flugtickets vom Reisebüro Saiet sah Brunetti dick gemalte Sternchen, die nur von Signorina Elettra stammen konnten.
Jedes von ihnen machte ihn auf ein Ticket für einen Auslandsflug aufmerksam, von denen wie durch irgendein Wunder der Technik jeweils ein Durchschlag an die jeweilige Kreditkartenquittung geheftet war. Murino war am selben Tag nach Bangkok geflogen, an dem La Capra und Semenzato im Oriental abgestiegen waren, und sein Rückflug nach Italien trug das Datum des Tages, an dem auch sie das Hotel verlassen hatten. Die Daten auf den beiden anderen Tickets nach Djakarta und Taipeh paßten zu denen auf Semenzatos Hotelquittungen.
Erfaßte dieselbe Erregung den Jäger, wenn er die ersten Fährten
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