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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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immer von mir verlangt wird, ich werde es tun, und zwar gern, wenn es mir die Rückkehr meines geliebten Sohnes garantiert.«
    Erneut machte der Conte eine Pause, aber nur kurz. »Ich appelliere an das Mitgefühl der Entführer und bitte um Erbarmen mit meiner Frau, und, mir.« Der Conte verstummte, aber die Kamera verharrte auf seinem Gesicht, bis er ein mal ganz kurz nach links und dann wieder in die Linse blickte. Der Bildschirm verdunkelte sich vorübergehend, worauf wieder der Sprecher im Studio erschien. Er erinnerte die Zuschauer noch einmal daran, dass dies eine Exklusivsendung von RAI gewesen sei, und forderte jeden auf, der irgendwelche Informationen über Roberto Lorenzoni habe, unter der jetzt eingeblendeten Nummer anzurufen.
    Aber es erschien keine Nummer, wohl weil das Band nur eine Kopie aus dem Archiv und nicht das über die Sender der RAI ausgestrahlte Original war. Der Bildschirm wurde dunkel. Brunetti stand auf und stellte den Ton ab, ließ das Gerät aber an. Er drückte auf den Schnellrücklauf und wartete, bis das Geräusch verstummt war. Als das Band mit einem Klicken zum Stillstand kam, drehte er sich zu Signorina Elettra um. »Was sagen Sie dazu?«
    »Ich hatte recht mit dem Make-up«, meinte sie.
    »Ja«, bestätigte Brunetti. »Noch etwas?«
    »Die Sprache?« Brunetti nickte. »Sie meinen, dass er von den Entführern immer nur in der dritten Person gesprochen und sich nie direkt' an sie gewandt hat?« fragte er.
    »Ja«, antwortete sie. »Das kommt einem merkwürdig vor. Aber vielleicht konnte er das einfach nicht im Hinblick darauf, was sie mit seinem Sohn gemacht hatten.«
    »Möglich«, stimmte Brunetti zu, während er sich vorstellte, wie ein Vater auf diesen größten aller Schrecken reagieren würde.
    Er drückte noch einmal auf ›Play‹. Das Band begann von vorn, aber diesmal ohne Ton.
    Er warf einen Blick zu Signorina Elettra, die nur die Augenbrauen hochzog. »Ich nehme auch im Flugzeug nie die Kopfhörer«, erklärte er. »Es ist erstaunlich, was man in Filmen alles sieht, wenn der Ton einen nicht ablenkt.«
    Sie nickte, und beide schauten sich das Ganze noch einmal an. Diesmal sahen sie den Blick des Ansagers über den Text huschen, der irgendwo links neben der Kamera ablief. Der andere vor der Tür zum Wohnzimmer schien seinen Text auswendig zu können, obschon seine ernste Miene aufgesetzt und unnatürlich wirkte. Wenn Brunetti erwartet hatte, dass Conte Ludovicos Nervosität oder Zorn auf diese Weise deutlicher herauskämen, so hatte er sich geirrt. Ohne Ton wirkte der Conte vielmehr völlig emotionslos. Als er auf seine Hände blickte, mussten. jedem Zuschauer Zweifel kommen, ob er je die Kraft finden würde, wieder aufzusehen, und als sein Blick für diesen winzigen Moment an der Kamera vorbeiging, 'war das eine Geste, die jegliche Neugier oder Ungeduld vermissen ließ.
    Der Bildschirm wurde wieder dunkel, und Signorina Elettra sagte: »Der arme Mann, und dafür mußte er auch noch stillsitzen und sich schminken lassen.« Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als wäre sie unwillentlich Zeugin von etwas Unanständigem geworden.
    Brunetti ließ das Band wieder zurücklaufen, bis es erneut zum Stillstand kam. Er drückte die Auswurftaste, und die Kassette sprang heraus. Brunetti schob sie in ihre Hülle und steckte sie in seine Jackentasche.
    »Denen sollte etwas Entsetzliches zustoßen«, sagte Signorina Elettra mit plötzlicher Wut »Die Todesstrafe?« fragte Brunetti, wobei er sich bückte, um Fernseher und Videorecorder auszuschalten.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Egal wie verabscheuungswürdig diese Menschen sind, egal was sie getan haben, diese Macht darf man keinem Staat geben.«
    »Weil man dem Staat nicht trauen kann?« fragte Brunetti.
    »Würden Sie unserem Staat trauen?« fragte sie zurück.
    Jetzt schüttelte Brunetti den Kopf.
    »Können Sie mir einen Staat nennen, dem Sie trauen würden?« fragte sie weiter.
    »Ihm zutrauen, über Leben und Tod eines Bürgers zu entscheiden?« Er schüttelte wieder den Kopf, dann fragte er: »Aber wie soll man Leute bestrafen, die solche Verbrechen begehen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich will sie vernichtet sehen, tot. Um das zu leugnen, müsste ich lügen. Aber diese Macht ist viel zu gefährlich, um sie... irgend jemandem in die Hand zugeben.«
    Ihm fiel ein, was Paola einmal gesagt hätte; in welchem Zusammenhang, wusste er nicht mehr. Immer wenn Leute unredlich argumentieren wollen, hatte sie gesagt, tischen

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