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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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den physischen Zustand dessen dachte, was dort unter dem geschnitzten Mahagonideckel lag. Keiner der Anwesenden hatte es wirklich gesehen: Robertos Identität war nur durch ein paar zahnärztliche Röntgenaufnahmen und einen goldenen Ring bestätigt, bei dessen Anblick der Conte in herzzerreißendes Schluchzen ausgebrochen war, wie Brunetti von Commissario Barzan erfahren hatte. Brunetti selbst kannte zwar den Autopsiebericht, aber auch er wusste nicht genau, wieviel materielle Substanz von dem, was, einmal Roberto Lorenzoni gewesen war, tatsächlich in dem Sarg lag. Einundzwanzig Jahre gelebt, und so Wenig War geblieben, nur ein Paar gramgebeugte Eltern, eine Freundin, die inzwischen das Kind eines anderen geboren hatte, und ein Vetter, der rasch in die Position des Erben aufgestiegen war. Von Roberto, dem Sohn eines irdischen wie eines himmlischen Vaters, schien wenig übrig zu sein. Er« hatte einem verbreiteten Typus angehört: verwöhnter Sohn reicher Eltern, von dem wenig verlangt und noch weniger erwartet wurde. Und nun lag er hier in einem Kasten in einer Kirche, ein Häufchen blanker Knochen und ein paar Fleischfetzen, und sogar der Polizist, der ausgesandt war, seinen Mörder zu finden, brachte keine wirkliche Trauer über seinen frühen Tod auf.
    Das Ende der Zeremonie, bewahrte Brunetti vor weiteren Überlegungen. Vier erwachsene Männer trugen den Sarg vom Altar zur Kirchentür. Ihnen folgten Conte Ludovico und Maurizio, die zwischen sich die Contessa stützten. Francesca Salviati war nicht da. Es betrübte Brunetti, dass fast alle Trauergäste, die nun die Kirche verließen, ältere Leute waren, offenbar Freunde der Eltern. Es war, als wäre Roberto nicht nur seiner Zukunft beraubt, sondern auch seiner Vergangenheit, denn er hinterließ keine eigenen Freunde, die gekommen wären, um von ihm Abschied zu nehmen oder ein Gebet für seine längst hingeschiedene Seele zu sprechen. Wie unermesslich traurig, so unbedeutend gewesen zu sein, dass einzig die Tränen einer Mutter seinen letzten Weg begleiteten. Bei seinem eigenen Tod, dachte Brunetti, gäbe es nicht einmal die: Seine Mutter, gefangen in ihrem Irrsinn, war längst darüber hinaus, noch zwischen Sohn und Vater oder Leben und Tod unterscheiden zu können. Und wenn der Sarg nun die spärlichen Überreste seines eigenen Sohnes enthielte? Brunetti trat in den Gang und schloss sich dem dünnen Strom der Leute an, die zum Ausgang strebten. Auf der Treppe angekommen, überraschte es ihn, dass die Sonne schien und Menschen auf ihrem Weg zum Campo San Luca oder Rialto hier vorbeischlenderten, ohne den mindesten Gedanken an Roberto Lorenzoni und seinen Tod zu verschwenden.
    Er beschloss, dem Sarg nicht zum Wasser zu folgen, wo er auf das Boot getragen würde, das ihn zur Friedhofsinsel bringen sollte. Statt dessen machte er sich auf den Weg Richtung San Lio und zurück zur Questura, wobei er unterwegs noch auf einen Kaffee und eine Brioche einkehrte. Den Kaffee trank er aus, aber von der Brioche bekam er nur einen Bissen hinunter. Er legte das Gebäckstück auf den Tresen, zahlte Und ging.
    Auf seinem Schreibtisch fand er eine Postkarte von seinem Bruder. Vorn war die Fontana di Trevi abgebildet, auf der Rückseite stand in Sergios ordentlicher Handschrift: »Vortrag ein voller Erfolg, wir sind die Helden.«
    Darunter war sein Name und daneben ein gekritzelter Zusatz: »Rom grässlich und schmutzig.«
    Brunetti versuchte, das Datum des Poststempels zu erkennen, aber wenn überhaupt eines darauf war, dann war es zu verschmiert, um leserlich zu sein. Es erstaunte ihn, dass eine Postkarte aus Rom nur wenige Tage gebraucht hatte, während es schon vorgekommen war, dass Briefe aus Turin ihn erst nach Wochen erreichten.
    Aber vielleicht hatten Ansichtskarten bei der Post Vorrang oder wurden lieber befördert, weil sie kleiner und leichter waren. Er las seine übrige Post durch, von der einiges wichtig, aber nichts interessant war.
    Signorina Elettra stand am Tisch vor ihrem Fenster und arrangierte einen Strauß Iris in einer blauen Vase, die in, einem vom Fenster her einfallenden Lichtstreifen stand. Ihr Pullover hatte fast die gleiche Farbe wie die Blumen, die ebenso schlank und aufrecht dastanden wie sie.
    »Sind die aber schön«, sagte Brunetti schon auf der Schwelle.
    »Ja, nicht? Aber ich hätte schon immer gern einmal gewusst, warum die aus der Gärtnerei gar nicht duften.«
    »Tun sie das nicht?«
    »Kaum«, antwortete sie. »Riechen Sie mal.« Sie trat zur

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