Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
die in Robertos Leben noch hätten geschehen können; vielleicht hätte er noch eine Arbeit gefunden, die ihm Freude machte, eine Frau, die er lieben konnte; vielleicht hätte er einen Sohn gehabt.
    Mit ihm starb die Familie aus; jedenfalls der direkte Zweig des Conte Ludovico. Brunetti wusste, dass die Lorenzonis ihren Stammbaum bis in die graue Vorzeit zurückverfolgen konnten, wo Geschichte und Mythos miteinander verschmolzen.
    "Wie mochte es sein, das Ende dieser Linie abzusehen? Wenn er sich recht erinnerte, hatte Antigone gesagt, das Schrecklichste am Tod ihres Bruders sei, dass ihre Eltern keine Kinder mehr bekommen könnten und die Familie mit den Leichen, die vor Thebens Mauern verwesten, aussterben werde.
    Er lenkte seine Gedanken auf Maurizio, der jetzt aller Voraussicht nach Erbe des Lorenzoni-Imperiums war. Obwohl die beiden Jungen zusammen aufgewachsen waren, gab es keine Anzeichen für eine besondere Zuneigung oder gar Liebe zwischen ihnen. Maurizios Ergebenheit schien ausschließlich seiner Tante und seinem Onkel zu gehören. Das machte es unwahrscheinlich, dass er ihnen etwas so Furchtbares antun würde, wie sie ihres einzigen Kindes zu berauben.
    Doch Brunetti hatte genug Erfahrung mit den ungeheuerlichsten Selbstrechtfertigungen von Verbrechern, um zu wissen, dass Maurizio keine Sekunde brauchen würde, um sich einzureden, es sei doch eigentlich Nächstenliebe, wenn er ihnen einen gewissenhaften, ergebenen, fleißigen Erben bescherte, einen, der ihre Erwartungen an einen guten Sohn so vollkommen erfüllte, dass sie ihren Schmerz über den Verlust Robertos bald überwinden wurden. Brunetti hatte schon Schlimmeres gehört.
    Er rief bei Signorina Elettra an, um zu fragen, ob sie, den Namen des Mädchens herausbekommen habe, dem Maurizio die Hand gebrochen hatte. Sie sagte, der Name stehe auf einem gesonderten Blatt am Ende der Liste mit den Unternehmen der Lorenzonis. Brunetti blätterte zur letzten Seite um. Maria Teresa Bonamini, eine Adresse in Castello.
    Er wählte die Nummer und verlangte Signorina Bonamini, worauf die Frau am Telefon antwortete, Maria sei bei der Arbeit. Ohne sich zu erkundigen, Wer der Anrufer sei, teilte sie Brunetti auf seihe Frage mit, dass sie als Verkäuferin in der Damenabteilung von Coin beschäftigt sei.
    Da er es besser fand, persönlich mit ihr zu sprechen, verließ er die Questura, ohne jemandem zu sagen, was er vorhatte, und machte sich auf den Weg in Richtung des Kaufhauses.
    Seit dem Brand vor fast zehn Jahren war es ihm schwergefallen, das Kaufhaus zu betreten, weil die Tochter eines Freundes dort zu Tode gekommen war, nachdem ein unachtsamer Arbeiter Plastikfolien in Brand gesetzt hatte, die das Gebäude minutenschnell in eine raucherfüllte Hölle verwandelten. Damals hatte er es irgendwie als tröstlich empfunden, dass sie an Rauchvergiftung gestorben und nicht verbrannt war; jetzt, Jahre später, blieb nur noch ihr Tod.
    Brunetti nahm den Fahrstuhl in den zweiten Stock und sah sich von Braun umgeben, der diesjährigen Sommerfarbe bei Coin: Blusen, Röcke, Kleider, Hüte - ein einziger Wirbel von Erdtönen. Bedauerlicherweise hatten auch die Verkäuferinnen beschlossen oder die Anweisung bekommen, diese Farben zu tragen, so dass sie in dem Meer von Umbra, Schoko, Mahagoni und Kastanie so gut wie unsichtbar waren. Doch zum Glück bewegte sich jetzt eine von ihnen von dem Kleiderständer, vor dem sie gestanden hatte, auf ihn zu. »Können Sie mir sagen, wo ich Maria Teresa Bonamini finde?« fragte Brunetti.
    Sie drehte sich um und zeigte zum hinteren Teil des Ladens. »Da drüben, bei den Pelzen«, sagte sie und ging schon weiter zu einer Frau im Ledermantel, die ihr winkte.
    Brunetti folgte der Richtungsangabe und fand sich zwischen Pelzmänteln und -jacken wieder, massenweise hingeschlachtetes Getier, dessen Verkauf offenbar von der Jahreszeit unabhängig war.
    Er sah langhaarigen Fuchs, glänzenden Nerz und einen besonders dichten Pelz, den er nicht identifizieren konnte. Vor einigen Jahren war eine Welle allgemeinen schlechten Gewissens über die italienische Modeindustrie hinweggeschwappt, und für die Dauer einer 'Saison hatte man die Frauen gedrängt, La pelliccia ecologica zu kaufen, Pelze in den wildesten Mustern und Farben, die gar nicht erst den Anschein der Echtheit zu erwecken versuchten. Aber mochten die Muster auch noch so einfallsreich, die Preise noch so hoch sein, man konnte sie nie so teuer verkaufen wie echten Pelz, und so wurde die Eitelkeit

Weitere Kostenlose Bücher