Brunetti 07 - Nobiltà
Stein?«
»Wovon reden Sie da?«
»Von dem großen Stein, der das Tor blockierte. Er wog über zehn Kilo.«
Und ohne näher darauf einzugehen, fragte Brunetti beiläufig: »Haben Sie eigentlich einen Waffenschein, Signor Lorenzoni?«
»Natürlich nicht«, versetzte dieser, ohne seine aufkommende Wut länger verbergen zu wollen. »Aber einen Jagdschein.«
Das würde die vielen Steinchen erklären, die Vianello vorhin um die Füße gespritzt waren, dachte Brunetti. »Sie haben also eine Schrotflinte genommen. Um damit auf Menschen zu schießen?«
»Um in ihre Richtung zu schießen«, verbesserte Lorenzoni. »Es wurde ja niemand verletzt. Außerdem hat ein Mensch schließlich das Recht, sein Eigentum zu verteidigen.«
»Und diese Villa ist Ihr Eigentum?« erkundigte Brunetti sich höflich. Er sah, wie Lorenzoni sich eine scharfe Erwiderung verbiss Als er antwortete, sagte er nur: »Sie ist Eigentum meines Onkels, wie Sie wissen.« Hinter ihnen am Eingangstor hörten sie einen Motor anspringen und gleich darauf einen Wagen abfahren, zweifellos die Carabinieri, die des Wartens müde geworden waren und die Sache nur zu gern der venezianischen Polizei überließen.
Die Unterbrechung gab Lorenzoni Zeit, sich wieder zu fangen. »Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?« wollte er von Brunetti wissen.
»Mit der Zahlenkombination. Sie stand in den Protokollen über die Entführung Ihres Vetters.«
»Sie haben nicht das Recht, hier einzudringen, jedenfalls nicht ohne richterliche Anordnung.«
»Das mit der richterlichen Anordnung gilt nur für die Verfolgung von Verdächtigen, Signor Lorenzoni. Ich sehe hier keine Verdächtigen. Sie vielleicht?« Brunettis Lächeln wirkte ganz natürlich. »Ich nehme an, dass Ihre Flinte bei der hiesigen Polizei registriert ist und sie die Gebühr für den Jagdschein bezahlt haben?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, versetzte Lorenzoni.
»Ich mag es nicht, wenn auf mich geschossen wird, Signor Lorenzoni.«
»Ich sagte Ihnen schon, dass ich nicht auf Sie geschossen habe, nur in 'ihre Richtung, um Sie zu warnen.«
Während des ganzen Wortgeplänkels stellte Brunetti sich schon Pattas unausweichliche Reaktion vor, wenn er erfuhr, dass Brunetti sich hatte erwischen lassen, wie er unbefugt das Anwesen eines reichen und einflussreichen Geschäftsmannes betrat. »Vielleicht sind wir ja beide im Unrecht, Signor Lorenzoni«, sagte er schließlich.
Man sah Lorenzoni an, dass er nicht recht wüsste, ob er das als Entschuldigung verstehen sollte. Brunetti wandte sich von ihm ab und fragte Vianello: »Was meinen Sie, Sergente? Haben Sie Ihren Schrecken überwunden?«
Bevor Vianello noch antworten konnte, trat Lorenzoni plötzlich einen Schritt vor und legte Brunetti die Hand auf den Arm. Sein Lächeln ließ ihn viel jünger aussehen. »Es tut mir leid, Commissario. Ich war allein, und als das Tor plötzlich aufging, bekam ich es mit der Angst.« »Haben Sie nicht gedacht, es wäre ein Mitglied der Familie?«
»Mein Onkel konnte es nicht sein. Er ist in Venedig, denn ich habe vor zwanzig Minuten noch mit ihm telefoniert. Und er kennt als einziger die Zahlenkombination.« Er ließ die Hand sinken, trat einen Schritt zurück und fügte hinzu: »Außerdem musste ich immer daran denken, wie es Roberto ergangen ist. Ich dachte, die wären vielleicht wiedergekommen, aber diesmal meinetwegen.«
Angst hatte ihre eigene Logik, das wüsste Brunetti, und so war es durchaus möglich, dass der junge Mann die Wahrheit sagte. »Wir bedauern, Sie geängstigt zu haben, Signor Lorenzoni«, sagte er. »Wir wollten uns nur einmal dort umsehen, wo die Entführung stattgefunden hat.« Vianello, der Brunettis Gedankengang ahnte, nickte bekräftigend.
»Warum das?« fragte Lorenzoni.
»Um festzustellen, ob vielleicht etwas übersehen wurde.«
»Was zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, dass hier dreimal eingebrochen wurde.« Als Lorenzoni nichts dazu sagte, fragte Brunetti: »Wann war das? Vor oder nach der Entführung?«
»Davor und währenddessen.«
»Was wurde gestohlen?«
»Beim ersten Mal haben sie nur einiges Silber aus dem Esszimmer erwischt. Einer der Gärtner hat ein Licht bemerkt und kam nachsehen, was los war. Da sind sie über die Mauer geflüchtet.«
»Und die anderen Male?« fragte Brunetti.
»Der zweite Einbruch war in der Zeit der Entführung. Das heißt, nachdem Roberte verschwunden war, aber bevor die Lösegeldforderungen aufhörten. Wir waren alle in Venedig. Die müssen über die
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