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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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fragte er.
    »Ich habe heute vormittag mit meinem Vater gesprochen«, antwortete sie.
    »Und, was hat er gesagt?«
    »Meinst du, bevor oder nachdem er mich angebrüllt hatte?«
    Brunetti mußte wohl oder übel lächeln. »Brüllen« war ein Wort, das er in seinen wildesten Phantasien nicht mit seinem Schwiegervater in Verbindung gebracht hätte. Der Widerspruch amüsierte ihn. »Danach, denke ich.«
    »Er hat gemeint, ich hätte wohl den Verstand verloren.«
    Brunetti erinnerte sich, daß genau dies die Worte des Conte gewesen waren, als Paola ihm vor zwanzig Jahren eröffnet hatte, sie wolle einen Polizisten heiraten. »Und dann?«
    »Dann hat er gesagt, ich soll Senno nehmen.«
    Brunetti nickte. Senno war der beste Strafverteidiger in der Stadt. »Vielleicht ein bißchen übertrieben.«
    »Warum?«
    »Senno versteht sich gut auf die Verteidigung von Vergewaltigern und Mördern, reichen Jünglingen, die ihre Freundinnen verprügeln, oder ebendiesen Freundinnen, wenn sie mit Heroin handeln, um ihr Laster zu finanzieren. Ich glaube kaum, daß du in diese Liga gehörst.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Kompliment sein soll.«
    Brunetti zuckte die Achseln. Er wußte es auch nicht.
    Als Paola nichts weiter dazu sagte, fragte er: »Nimmst du ihn?«
    »So einen würde ich nicht nehmen.«
    Brunetti zog die Grappaflasche zu sich her und goß sich einen Schluck in die leere Kaffeetasse. Er schwenkte die Flüssigkeit darin herum und trank sie dann auf einen Satz aus. Ohne auf ihre letzte Bemerkung näher einzugehen, fragte er: »Wen willst du denn nehmen?«
    Sie hob die Schultern. »Ich warte erst einmal ab, wie die Anklage lautet. Dann entscheide ich mich.«
    Er überlegte kurz, ob er noch einen Grappa trinken sollte, merkte aber, daß er gar keinen mehr wollte. Ohne seine Hilfe beim Abwaschen oder wenigstens beim Abräumen anzubieten, stand er auf und schob seinen Stuhl unter den Tisch. Er sah auf die Uhr und war diesmal überrascht, daß es noch so früh war, noch nicht einmal zwei. »Ich glaube, ich lege mich ein bißchen hin, bevor ich wieder zum Dienst gehe«, sagte er.
    Sie nickte, stand ebenfalls auf und begann das Geschirr zusammenzustellen.
    Er ging ins Schlafzimmer, zog die Schuhe aus, setzte sich auf die Bettkante und merkte plötzlich, wie müde er war. Er legte sich hin, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schloß die Augen. Aus der Küche hörte er das Rauschen von Wasser, das Klappern von Geschirr, das Scheppern von Töpfen und Pfannen. Er zog einen Arm unter dem Kopf fort und legte ihn sich über die Augen. Dabei dachte er an seine Schulzeit, wie er sich immer, wenn er eine schlechte Note mit nach Hause brachte, in sein Zimmer verkrochen und sich aus Angst vor Vaters Zorn und Mutters Enttäuschung ins Bett gelegt hatte.
    Die Erinnerung schlug ihre Zähne tief in sein Gemüt und trug ihn fort. Irgendwann fühlte er Bewegung neben sich im Bett und gleichzeitig einen warmen, weichen Druck auf seiner Brust. Er roch zuerst und fühlte dann ihr Haar auf seinem Gesicht, diese Mischung aus Seife und Gesundheit, die sich ihm in Jahrzehnten eingeprägt hatte. Er nahm den Arm von den Augen, ohne sie zu öffnen. Während er ihn um ihre Schultern legte, zog er den anderen Arm unter dem Kopf hervor und verschränkte die Hände auf ihrem Rücken.
    Nach einer Weile schliefen beide ein, und als sie wieder aufwachten, hatte sich nichts geändert.

9
    D er nächste Tag verlief ruhig, in der Questura ging alles seinen gewohnten Gang. Patta befahl, Iacovantuono nach Venedig zu holen und wegen seiner Aussageverweigerung ins Gebet zu nehmen, was auch geschah. Brunetti begegnete ihm an der Treppe, wie er gerade von zwei mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten zu Pattas Zimmer hinaufgeführt wurde. Der Pizzabäcker sah Brunetti kurz an, ließ sich aber nicht anmerken, ob er ihn wiedererkannte. Sein Gesicht war zu dieser Maske der Unwissenheit erstarrt, die Italiener beim Umgang mit der Obrigkeit aufzusetzen gelernt haben.
    Als Brunetti die traurigen Augen des Mannes sah, fragte er sich, ob es wirklich etwas ändern würde, wenn man wüßte, was sich in Wahrheit zugetragen hatte. Ob die Mafia seine Frau ermordet hatte oder Iacovantuono das nur glaubte, so oder so würde er den Staat und seine Organe für unfähig halten, ihn vor der Bedrohung durch eine weit größere Macht zu schützen.
    Das alles ging Brunetti gleichzeitig durch den Kopf, als er den kleinen Mann auf der Treppe sah, aber diese Gedanken waren zu

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