Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
konnte.
Vianello nickte.
»Dort oder hier. Das spielt keine Rolle. Es reicht, daß es überhaupt passiert ist.«
»Es muß nicht heißen, daß die wußten, daß er heute hierherkam.«
»Wozu dann der Anruf?« wollte Brunetti wissen.
»Um für alle Fälle schon einmal das Gerücht zu streuen.«
Brunetti schüttelte den Kopf. »Nein. Dafür paßte das zeitlich zu gut. Mein Gott, der Mann kam gerade hier ins Haus, als Sie den Anruf bekamen.« Brunetti überlegte kurz, dann fragte er: »Wen hat diese Frau eigentlich verlangt?«
»Die Vermittlung sagte, sie wolle den sprechen, der in Treviso war und mit ihm geredet hat. Ich glaube, man hat zuerst zu Ihnen verbunden, und als Sie nicht da waren, kam das Gespräch bei uns an. Pucetti hat es an mich weitergegeben, weil ich mit Ihnen in Treviso war.«
»Wie klang denn die Stimme?«
Vianello rief sich das Gespräch in Erinnerung. »Irgendwie verlegen. Als wollte sie ihm keinen Ärger machen. Sie hat sogar ein paarmal gesagt, er hätte ja eigentlich schon genug gelitten, aber sie müsse uns sagen, was sie wisse.«
»Sehr pflichtbewußt.«
»Eben.«
Brunetti ging ans Fenster und blickte auf den Kanal und die Polizeibarkassen hinunter, die sich an den Anlegesteg vor der Questura kuschelten. Er sah noch immer den Ausdruck in Iacovantuonos Gesicht vor sich, als er ihn auf die Versicherung ansprach, und wieder fühlte er, wie er rot wurde. Er hatte sich benommen wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug, war sofort losgerannt, ohne erst einmal nachzudenken oder nachzuprüfen, was sie schon an Informationen besaßen. Er wußte zwar, daß es inzwischen gängige Praxis war, bei zweifelhaften Todesfällen zuerst den Ehepartner zu verdächtigen, aber er hätte bei Iacovantuono seinem Instinkt vertrauen, sein Gedächtnis bemühen und sich an die zögernde Stimme des Mannes erinnern sollen, seine spürbare Angst um seine Kinder. Darauf hätte er vertrauen sollen, statt gleich auf die erste Beschuldigung anzuspringen, die ihm aus heiterem Himmel vor die Füße geflattert kam.
Er konnte sich nicht einmal bei dem Pizzabäcker entschuldigen, denn jede Erklärung würde sein eigenes Schuldgefühl und seine Scham nur noch schlimmer machen. »Könnte man das Gespräch eventuell zurückverfolgen?« fragte er.
»Es waren Hintergrundgeräusche zu hören. Etwa wie Straßenlärm. Ich nehme an, der Anruf kam aus einer Zelle«, sagte Vianello.
Wenn sie schlau genug waren, diesen Anruf zu machen, dachte Brunetti - oder gut genug informiert, wie eine kalte innere Stimme hinzufügte -, dann wären sie wohl auch so vorsichtig gewesen, aus einer Zelle anzurufen. »Das war dann wohl alles.« Er sank auf seinen Stuhl und fühlte sich plötzlich sehr müde.
Ohne noch etwas zu sagen, verließ Vianello das Zimmer, und Brunetti widmete sich den Papieren auf seinem Schreibtisch.
Er las als erstes ein Fax von einem Kollegen aus Amsterdam, der sich erkundigte, ob Brunetti vielleicht etwas tun könne, um die Bearbeitung einer Anfrage der niederländischen Polizei wegen eines Italieners zu beschleunigen, der wegen Mordes an einer Prostituierten verhaftet worden war. Da im Paß des Mannes Venedig als ständiger Wohnsitz angegeben war, hatten die Holländer bei der Polizei dieser Stadt nachgefragt, ob er vorbestraft sei. Die Anfrage war schon vor über einem Monat abgeschickt worden, und bisher lag noch keine Antwort vor.
Brunetti wollte gerade unten anrufen, ob dieser Mann ein Strafregister habe, da klingelte sein Telefon - und es ging los.
Er hatte im Grunde gewußt, daß es kommen würde, hatte sich sogar darauf vorzubereiten versucht, sich eine Strategie für den Umgang mit der Presse zurechtgelegt. Trotzdem erwischte es ihn jetzt auf dem falschen Fuß, als es soweit war.
Zuerst sagte der Journalist - Brunetti kannte ihn, er arbeitete für Il Gazzettino -, er rufe an, um einer Meldung nachzugehen, nach der Commissario Brunetti aus dem Polizeidienst ausgeschieden sei. Als Brunetti antwortete, das sei ihm völlig neu und er habe nie an einen Abschied gedacht, wollte der Reporter, Piero Lembo, wissen, wie er denn mit der Festnahme seiner Frau und den Konflikten umzugehen gedenke, die sich aus ihrer Situation und seiner Stellung ergäben.
Brunetti antwortete, er sei mit dem Fall in keiner Weise befaßt und sehe nicht, wo sich da ein Konflikt ergeben könne.
»Aber Sie haben sicher Freunde in der Questura«, meinte Lembo, wenngleich er es schaffte, auch dies so klingen zu lassen, als hätte er da seine
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