Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
Sie gewandt hat, Avvocato.«
»Menschen tun seltsame Dinge, Commissario.« Der Anwalt lächelte. »Vor allem wenn sie sich genötigt sehen, sich mit der Justiz auseinanderzusetzen.«
»Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, Avvocato, aber Geschäftsleute geben selten Geld für nichts und wieder nichts aus.« Und bevor Zambino es doch übelnehmen konnte, fügte Brunetti hinzu: »Denn in diesem Fall scheint mir ein Anwalt kaum vonnöten zu sein. Er brauchte dem Vice-Questore nur seine Bedingungen zu nennen, entweder telefonisch oder brieflich. Niemand hat den Bedingungen widersprochen. Trotzdem hat er sich einen Anwalt genommen.«
»Zu nicht unbeträchtlichen Kosten, wenn ich das hinzufügen darf«, sagte Zambino.
»Eben. Und verstehen Sie das?«
Zambino lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, wobei er einen stattlichen Bauch zur Schau stellte. »Ich halte das auch für ›overkill‹, wie die Amerikaner es nennen«, meinte er. Und noch immer mit Blick zur Decke fuhr er fort: »Ich glaube, er wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß auf seine Forderungen einzugehen war, daß Ihre Frau seine Bedingungen zu akzeptieren hatte und die Sache damit erledigt sein sollte.«
»Erledigt?«
»Ja.« Der Anwalt beugte sich wieder vor, legte die Arme auf den Schreibtisch und sagte: »Ich hatte das starke Gefühl, daß er die Sache ohne Ärger und öffentliches Aufsehen hinter sich bringen wollte. Letzteres war ihm vielleicht sogar das Wichtigere. Einmal habe ich ihn gefragt, was er denn tun wolle, wenn Ihre Frau, die ja offenbar aus Überzeugung gehandelt hat, es ablehne, den Schaden zu ersetzen; ob er dann eine Klage in Betracht ziehe. Er sagte, nein. Und in diesem Punkt ließ er auch nicht mit sich reden. Ich sagte ihm, er könne den Prozeß gar nicht verlieren, und trotzdem wollte er absolut nichts davon wissen.«
»Das heißt, wenn meine Frau sich zu zahlen geweigert hätte, wäre er nicht einmal gerichtlich gegen sie vorgegangen?«
»Genau das heißt es.«
»Und das sagen Sie mir, obwohl Sie wissen, daß sie es sich immer noch anders überlegen und die Zahlung verweigern kann?«
Zambino sah auf, und zum erstenmal wirkte er überrascht. »Natürlich.«
»Obwohl Sie wissen, daß ich es ihr weitererzählen und ihre Entscheidung damit beeinflussen könnte?«
Zambino lächelte wieder. »Commissario, ich stelle mir vor, daß Sie, bevor Sie hierherkamen, sehr viel Zeit aufgewendet haben, um über mich und meinen Ruf in der Stadt soviel wie möglich zu erfahren.« Ehe Brunetti das zugeben oder abstreiten konnte, fuhr der Anwalt fort: »Ich habe umgekehrt dasselbe getan, wie es jeder täte. Und was ich erfahren habe, sagt mir, daß ich Ihnen das alles beruhigt erzählen kann, weil keine Gefahr besteht, daß Sie es Ihrer Frau weitersagen oder aufgrund dieses Wissens versuchen könnten, sie in irgendeiner Weise zu beeinflussen.«
Verlegenheit hielt Brunetti davon ab, dies ausdrücklich zu bestätigen. Er nickte nur und fragte dann: »Haben Sie Mitri gefragt, warum es ihm so wichtig war, jedes öffentliche Aufsehen zu vermeiden?«
Zambino schüttelte den Kopf. »Ich gebe zu, es hätte mich interessiert, aber es gehörte nicht zu meinen Aufgaben, das herauszubekommen. Das Wissen hätte mir als seinem Anwalt nichts genützt, und als Anwalt hat er mich schließlich bezahlt.«
»Aber Sie haben sich Ihre Gedanken darüber gemacht?«
Wieder dieses Lächeln. »Natürlich, Commissario. Es schien so gar nicht zu dem Mann zu passen, wie ich ihn sah: reich, mit guten Beziehungen ausgestattet und, wenn Sie so wollen, mächtig. Solchen Leuten gelingt es für gewöhnlich, alles zu vertuschen, selbst die schlimmsten Sachen. Und hier war er ja nicht einmal selbst verantwortlich, oder?«
Brunetti schüttelte schweigend den Kopf und wartete, was der Anwalt noch zu sagen hatte.
»Es bedeutete also, daß er entweder aus ethischen Erwägungen die Umtriebe der Reiseagentur für unrecht hielt - und diese Möglichkeit hatte ich ja schon ausgeschlossen - oder daß es einen anderen Grund persönlicher oder geschäftlicher Art gab, warum er jedes negative Aufsehen und das damit verbundene nähere Hinsehen vermeiden wollte oder mußte.«
Diesen Schluß hatte Brunetti auch schon gezogen, und er war froh, ihn von jemandem bestätigt zu bekommen, der Mitri gekannt hatte. »Und haben Sie sich schon überlegt, was das sein könnte?«
Diesmal lachte Zambino aus vollem Hals. Das Spielchen begann ihm Spaß zu machen.
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