Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
erinnerte, daß es hier um Mitri ging, nicht um eine Frau, deren Mut gebrochen worden war.
»Ach ja, und vielen Dank. Ich glaube, ich werde mich einmal mit Avvocato Zambino unterhalten.«
»Wie Sie meinen, Commissario.« Sie ging zur Tür. »Aber glauben Sie mir, wenn einer eine reine Weste hat, dann er.« Da die Person, von der sie sprachen, Rechtsanwalt war, nahm Brunetti diese letzte Bemerkung so ernst wie das Gebrabbel der Irren vor dem Palazzo Boldù.
17
E r beschloß, Vianello nicht mitzunehmen, damit sein Besuch bei dem Anwalt hoffentlich einen inoffizielleren Charakter bekam, obwohl er andererseits nicht glaubte, daß ein Mann, der mit dem ganzen Justizwesen so vertraut war wie Zambino, sich von einer Uniform beeindrucken ließ. Gerade fiel ihm ein Satz von Chaucer ein, den Paola oft zitierte: »... und schien sogar beschäftigter, als er es wirklich war«, hieß es da über den Mann des Rechts, weshalb Brunetti es für besser hielt, vorher bei dem Anwalt anzurufen; das würde es ihm vielleicht ersparen, warten zu müssen, während der Advokat noch seiner Juristerei nachging.
Seine Sekretärin, oder wer auch immer sich am anderen Ende meldete, sagte ihm, Zambino werde in ungefähr einer halben Stunde frei sein und den Commissario empfangen können.
Die Kanzlei befand sich am Campo San Polo, so daß Brunetti den Vormittag nicht weit von zu Hause beenden konnte und damit reichlich Zeit für die Mittagspause hätte. Er rief Paola an, um ihr das zu sagen. Beide sprachen ausschließlich über die Zeit und das Essen.
Nach diesem Anruf ging Brunetti hinunter in den Bereitschaftsraum, wo Vianello an seinem Schreibtisch saß und die Morgenzeitung las. Als er Brunetti kommen hörte, schlug er sie zu.
»Irgendwas Neues?« fragte Brunetti. »Ich hatte noch keine Zeit, alles zu lesen.«
»Nein, das Interesse läßt nach, wohl weil es nicht mehr viel zu sagen gibt. Jedenfalls nicht, bevor wir jemanden festnehmen.«
Vianello wollte aufstehen, aber Brunetti sagte: »Nein, bleiben Sie nur sitzen, Sergente. Ich gehe zu Zambino. Allein.« Bevor Vianello dazu etwas sagen konnte, sprach Brunetti weiter: »Signorina Elettra will Mitris Finanzen etwas genauer durchleuchten, und da dachte ich, Sie möchten ihr dabei vielleicht gern zusehen.«
Vianello interessierte sich in letzter Zeit zunehmend dafür, wie Signorina Elettra mit Hilfe ihres Computers und vieler Freunde, die sie zum Teil nur über das Internet kannte, an Informationen herankam. Keinerlei nationale oder sprachliche Grenzen behinderten anscheinend mehr den freien Austausch von Informationen, von denen viele für die Polizei hochinteressant waren. Brunettis eigene Versuche, auf diesem Gebiet Schritt zu halten, waren kläglich gescheitert, und so freute er sich über Vianellos Begeisterung. Er wollte, daß noch jemand anderer in der Lage war, zu tun, was Signorina Elettra tat, oder wenigstens verstand, wie sie es machte, falls sie einmal ohne sie auskommen müßten. Noch während er das dachte, betete er stumm, daß es dahin nie kommen möge.
Vianello war mit dem Zusammenfalten der Zeitung fertig und legte sie auf den Schreibtisch. »Gern. Sie hat mir schon vieles gezeigt, aber ihr fällt immer noch etwas Neues ein, wenn es auf den normalen Wegen nicht klappt. Meine Kinder können es gar nicht fassen«, fuhr er fort. »Sie haben mich immer gehänselt, weil ich so wenig von dem verstand, was sie aus der Schule mit nach Hause brachten oder wovon sie redeten, aber jetzt kommen sie schon zu mir und fragen mich, wenn sie Probleme haben oder keinen access zu irgendwas bekommen.« Ja, Vianello beherrschte sogar schon die international übliche Terminologie.
Leicht irritiert von diesem kurzen Gespräch verließ Brunetti die Questura. Ein einzelner Kameramann stand draußen, aber mit dem Rücken zum Eingang, weil er sich gerade gegen den Wind eine Zigarette anzündete, und so kam Brunetti unbemerkt an ihm vorbei. Am Canal Grande angekommen, entschied er sich wegen des Windes gegen das traghetto und nahm den Weg über den Rialto-Markt. Beim Gehen achtete er nicht auf die Schönheit, die ihn auf allen Seiten umgab, sondern überlegte nur, was für Fragen er Avvocato Zambino stellen wollte. Nur einmal ließ er sich ablenken, als er an einem der Gemüsestände Pilze sah, die er für porcini hielt. Er hoffte, auch Paola würde sie sehen und sie ihnen vielleicht mit Polenta zum Mittagessen servieren.
Er ging mit raschen Schritten die Rughetta entlang, an seiner eigenen
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