Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
»Wenn wir in einem anderen Jahrhundert lebten, würde ich sagen, er fürchtete für seinen guten Namen. Aber da sich den jetzt jeder auf dem freien Markt kaufen kann, sage ich, er fürchtete, daß bei solch genauerem Hinsehen etwas an den Tag kommen könnte, was er lieber versteckt halten wollte.«
Wieder waren die Gedanken des Anwalts mit denen Brunettis spiegelgleich. »Haben Sie eine Ahnung?«
Zambino zögerte lange, bevor er antwortete. »Ich fürchte, jetzt wird es für mich knifflig, Commissario. Obwohl der Mann tot ist, bin ich ihm als Anwalt nach wie vor verpflichtet und kann es mir nicht erlauben, die Polizei auf etwas aufmerksam zu machen, was ich weiß oder möglicherweise auch nur vermute.«
Brunetti spitzte sofort die Ohren. Er überlegte schon, was Zambino womöglich wußte und wie er es ihm entlocken könnte, aber bevor er sich auch nur die erste Frage zurechtlegen konnte, fuhr der andere schon fort: »Wenn ich Ihnen damit Zeit sparen kann, Commissario, sage ich Ihnen besser gleich - und zwar ganz unter uns -, daß ich keine Ahnung habe, was da in ihm vorgegangen sein könnte. Er hat mit mir über keine seiner anderen Angelegenheiten gesprochen, nur über diesen Fall. Ich weiß also gar nichts, aber ich wiederhole, selbst wenn ich etwas wüßte, würde ich Ihnen nichts davon sagen.«
Brunetti setzte sein offenherzigstes Lächeln auf, während er sich fragte, wieviel von dem, was er soeben gehört hatte, wohl der Wahrheit entsprach. Mit den Worten: »Sie haben mir sehr großzügig Ihre Zeit gewidmet, Avvocato, und ich will nicht noch mehr davon in Anspruch nehmen«, stand er auf und wandte sich zur Tür.
Zambino kam ihm nach. »Ich hoffe, Sie können den Fall aufklären, Commissario«, sagte er auf dem Weg nach draußen. Er streckte die Hand aus, und Brunetti nahm sie mit allen Anzeichen der Herzlichkeit, während er noch immer darüber nachgrübelte, ob dieser Anwalt einfach ein ehrlicher Mensch oder ein sehr geschickter Lügner war.
»Das hoffe ich auch, Avvocato«, sagte er abschließend und machte sich auf den Heimweg zu seiner Frau.
18
S chon den ganzen Tag spukte in Brunettis Hinterkopf das Wissen herum, daß er und Paola heute zum Abendessen eingeladen waren. Seit jenem Ereignis, das Brunetti um keinen Preis »ihre Festnahme« nennen wollte, hatten beide es vermieden, Einladungen anzunehmen oder auszusprechen, aber dieser Abend war schon vor Monaten verabredet worden, weil Paolas bester Freund und engster Verbündeter an der Universität, Giovanni Morosini, seinen fünfundzwanzigsten Hochzeitstag feierte, und sie konnten sich da nicht mit Anstand herausreden. Giovanni war derjenige gewesen, der zweimal Paolas Karriere gerettet hatte: einmal, indem er einen Brief von Paola an den Magnifico Rettore vernichtete, in dem sie ihn einen machthungrigen Nichtskönner genannt hatte, das zweite Mal, indem er sie überredete, ihren Kündigungsbrief an denselben Rektor nicht abzuschicken. Giovanni lehrte an der Universität italienische Literatur, seine Frau Kunstgeschichte an der Accademia di Belle Arti, und die vier waren im Lauf der Jahre gute Freunde geworden. Da die anderen drei den größten Teil ihres Berufslebens mit Büchern verbrachten, fühlte Brunetti sich in ihrer Gesellschaft manchmal etwas unbehaglich, weil er überzeugt war, daß sie die Künste ernster nahmen als das Alltagsleben. Aber die Zuneigung der Morosinis zu Paola stand außer Frage, und so hatte Brunetti zugestimmt, die Einladung anzunehmen, zumal Clara noch anrief und klarstellte, daß sie nicht in ein Restaurant gehen, sondern zu Hause essen würden. In der Öffentlichkeit hielt Brunetti sich sowieso nicht gern auf, schon gar nicht, solange Paolas rechtliche Situation nicht geklärt war.
Paola sah keinen Grund, ihre Lehrveranstaltungen an der Universität abzusagen, also kam sie um fünf nach Hause. Damit hatte sie noch Zeit, das Essen für die Kinder vorzubereiten, ein Bad zu nehmen und sich fertigzumachen, bevor Brunetti kam.
»Du bist schon umgezogen?« fragte er, als er in die Wohnung trat und sie in einem kurzen Kleid sah, das auf ihn den Eindruck machte, als wäre es aus Blattgold. »Das habe ich ja noch nie gesehen«, fügte er hinzu, während er seinen Mantel aufhängte.
»Und?« fragte sie.
»Es gefällt mir«, meinte er, »besonders die Schürze.«
Sie blickte überrascht an sich hinunter, aber bevor sie sich darüber ärgern konnte, daß er sie gefoppt hatte, drehte er sich um und ging in ihrer beider
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