Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
Schlafzimmer. Sie ging wieder in die Küche und band sich dort wirklich eine Schürze um, während er im Schlafzimmer seinen dunkelblauen Anzug anlegte.
Während er noch seinen Hemdkragen unter dem Jackett geradezog, ging er in die Küche. »Wann sollen wir da sein?«
»Um acht.«
Brunetti schob seine Manschette hoch und sah auf die Uhr. »Aufbruch in zehn Minuten?« Paola, den Kopf über einen Topf gebeugt, brummelte nur etwas zur Antwort. Brunetti bedauerte, daß kaum mehr Zeit für ein Gläschen Wein blieb. »Weißt du, wer sonst noch kommt?« fragte er.
»Nein.«
»Hm«, machte Brunetti. Er öffnete die Kühlschranktür und nahm eine Flasche Pinot Grigio heraus, schenkte sich ein halbes Glas ein und trank.
Paola setzte den Deckel wieder auf den Topf und stellte die Gasflamme ab. »Das wäre soweit«, sagte sie. »Damit die beiden uns nicht verhungern.« Dann zu ihm: »Stört dich das?«
»Daß wir nicht wissen, wer sonst noch eingeladen ist?«
Statt darauf zu antworten, fragte sie zurück: »Erinnerst du dich an diese Amerikaner?«
Brunetti stellte seufzend sein Glas ins Spülbecken. Ihre Blicke trafen sich, und beide lachten. »Die Amerikaner« waren zwei Gastprofessoren aus Harvard gewesen, die Morosini vor zwei Jahren einmal eingeladen hatte, Assyriologen, die den ganzen Abend nur miteinander gesprochen und sich dabei so betrunken hatten, daß man sie mit einem Taxi nach Hause schicken mußte. Die Rechnung dafür hatte am nächsten Morgen im Briefkasten der Morosinis gesteckt.
»Hast du überhaupt gefragt?« erkundigte sich Brunetti.
»Wer kommt?«
»Ja.«
»Konnte ich doch nicht«, antwortete Paola, und als sie sah, daß er nicht überzeugt war, fügte sie hinzu: »So was kann man nicht machen, Guido. Ich jedenfalls nicht. Und was hätte ich tun sollen, wenn es irgendwelche unmöglichen Leute gewesen wären? Sagen, ich sei krank?«
Er zuckte die Achseln und dachte an die Abende, die er schon als Gefangener der allumfassenden Toleranz und vielgestaltigen Freundschaften der Morosinis verbracht hatte.
Paola holte ihren Mantel und zog ihn an, bevor er ihr dabei helfen konnte. Zusammen verließen sie die Wohnung und schlugen die Richtung nach San Polo ein. Sie überquerten den campo, gingen über eine Brücke und bogen in eine schmale calle zur Rechten ein. Kurz dahinter gingen sie auf die rechte Seite hinüber und klingelten bei den Morosinis. Die Tür klickte fast augenblicklich auf, und sie stiegen zum piano nobile hinauf, wo Giovanni Morosini schon in der offenen Tür zu seiner Wohnung stand, aus der ein Stimmengewirr herausdrang.
Morosini war groß und trug noch immer den Bart, den er sich als wilder 68er Student hatte wachsen lassen. Der Bart war im Lauf der Jahre grau geworden, und Morosini behauptete oft im Scherz, es sei ihm mit seinen Idealen und Prinzipien ebenso ergangen. Er war etwas größer und ein beachtliches Stück breiter als Brunetti, so daß er die ganze Türöffnung auszufüllen schien. Er begrüßte Paola mit Küßchen auf beide Wangen und schüttelte Brunetti herzlich die Hand.
»Willkommen, ihr beiden. Kommt herein und laßt euch etwas zu trinken geben«, sagte er, wobei er ihnen die Mäntel abnahm und sie in einen Schrank neben der Tür hängte. »Clara ist in der Küche, aber ich möchte euch gern mit ein paar Leuten bekannt machen.« Wie immer staunte Brunetti über die Gegensätzlichkeit zwischen der Größe des Mannes und seiner leisen Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, als fürchtete er ständig, belauscht zu werden.
Er machte Platz, damit sie eintreten konnten, und ging ihnen über den Flur voran in den großen salotto, von dem aus man in alle anderen Zimmer gelangte. In einer Ecke standen vier Leute, und Brunetti fiel sofort auf, wie sehr zwei von ihnen miteinander verheiratet wirkten und wie wenig die beiden anderen.
Alle drehten sich um, als sie die Neuankömmlinge hörten, und Brunetti sah die Augen der nicht verheiratet aussehenden Frau aufblitzen, als ihr Blick auf Paola fiel. Es war nicht schön anzusehen.
Morosini führte sie um eine niedrige Couch herum zu den anderen. »Paola und Guido Brunetti«, begann er. »Darf ich vorstellen, Dottor Klaus Rotgeiger, ein Freund, der auf der anderen Seite des campo wohnt, und seine Frau Bettina.« Die beiden, die nach Ehepaar aussahen, stellten ihre Gläser hinter sich auf den Tisch, drehten sich wieder um und streckten die Hände aus. Ihr Händedruck war ebenso herzlich wie vorhin der von Morosini. Sie
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