Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Sein blondes Haar war so kurz geschoren, daß man es fast nicht mehr sah, und er schien kaum alt genug, um sich rasieren zu müssen. Er salutierte vor dem Sottotenente und blieb in Habtachtstellung stehen, ohne Brunetti oder Vianello eines Blickes zu würdigen. So also führt Turcati seinen Laden, dachte Brunetti bei sich.
    »Diese beiden Herren haben ein paar Fragen an Sie, Franchi«, sagte Turcati.
    Der junge Polizist nahm eine etwas lässigere Haltung an, aber als entspannt hätte Brunetti sie noch nicht bezeichnet.
    »Jawohl, Tenente«, sagte er, sah aber noch immer nicht in ihre Richtung.
    »Agente Franchi«, begann Brunetti, »Ihr Bericht über den Mann, den Sie drüben beim Campo dell'Angelo Raffaele gefunden haben, ist sehr klar formuliert, aber ich möchte Ihnen dazu doch noch einige Fragen stellen.«
    »Jawohl«, sagte Franchi, den Blick unverwandt auf seinem Vorgesetzten.
    »Haben Sie die Taschen des Mannes durchsucht?«
    »Nein, Signore. Ich bin zur selben Zeit wie die Sanitäter hingekommen. Sie haben ihn aufgehoben, auf eine Trage gelegt und zum Boot getragen.«
    Brunetti fragte den jungen Polizisten nicht, warum er für die kurze Strecke von der Polizeiwache genauso lange gebraucht hatte wie das Ambulanzboot für den Weg durch die halbe Stadt.
    »Sie schreiben in Ihrem Bericht, der Mann sei vom Gerüst gestürzt. Ich habe mich gefragt, ob Sie das Gerüst wohl näher untersucht haben, um möglicherweise Spuren davon zu finden. Eine zerbrochene Bohle vielleicht, oder einen Stoffetzen von seiner Kleidung. Oder einen Blutfleck.«
    »Nein, Signore.«
    Brunetti wartete auf eine Erläuterung, und als keine kam, fragte er: »Warum haben Sie das nicht getan, Agente?«
    »Er lag neben dem Gerüst auf dem Boden. Die Haustür stand offen, und als ich seine Brieftasche öffnete, sah ich, daß er für das Ufficio Catasto arbeitete. Da habe ich mir gedacht, daß er beruflich dort war.« Er verstummte, und als Brunetti schwieg, fügte er noch hinzu: »Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie sagen, er wurde gerade zum Ambulanzboot getragen, als Sie ankamen?«
    »Ja.«
    »Wie sind Sie dann an seine Brieftasche gekommen?«
    »Die lag auf dem Boden, ein bißchen verdeckt unter einem leeren Zementsack.«
    »Und wo lag der Mann?«
    »Auf dem Boden, Signore.«
    Brunetti bemühte sich um Geduld. »Ich meine«, fragte er, »wo lag der Mann im Verhältnis zum Gerüst?«
    Franchi überlegte einen Augenblick und antwortete dann: »Links von der Haustür, Signore. Etwa einen Meter vor der Mauer.«
    »Und die Brieftasche?«
    »Unter dem Zementsack, wie ich schon sagte.«
    »Und wann haben Sie die gefunden?«
    »Nachdem sie ihn ins Krankenhaus gebracht hatten. Ich hatte das Gefühl, daß ich mich noch etwas umsehen sollte, darum bin ich ins Haus gegangen. Die Haustür war ja offen, als ich hinkam, das habe ich auch in meinem Bericht geschrieben. Mir war aufgefallen, daß genau über der Stelle, wo er gelegen hatte, die Fensterläden offen waren, darum bin ich gar nicht erst bis nach oben gegangen. Als ich dann wieder herauskam, sah ich die Brieftasche liegen, und als ich sie aufhob, fand ich darin einen Dienstausweis vom Ufficio Catasto, darum habe ich angenommen, daß er da war, um an dem Gebäude irgendwas zu überprüfen oder so.«
    »Befand sich sonst noch etwas in der Brieftasche?«
    »Ein bißchen Geld, Signore, und ein paar Karten. Ich habe alles mit hierhergebracht und in einen Asservatenbeutel getan. Ich denke, so steht es auch im Bericht.«
    Brunetti blätterte zur Seite zwei des Berichts um und sah, daß die Brieftasche erwähnt war.
    Dann blickte er auf und fragte Franchi: »Ist Ihnen sonst noch irgend etwas aufgefallen, während Sie dort waren?«
    »Was meinen Sie denn, Signore?«
    »Irgend etwas, das Ihnen ungewöhnlich vorkam oder irgendwie fehl am Platz war.«
    »Nein, Signore. Überhaupt nichts.«
    »Aha«, sagte Brunetti. »Ich danke Ihnen, Agente Franchi.« Aber bevor noch jemand anders etwas sagen konnte, fragte er: »Könnten Sie mir diese Brieftasche einmal holen?«
    Franchi warf einen Blick zu seinem Vorgesetzten, der nickte.
    »Ja, Signore.« Damit machte Franchi auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer.
    »Ein diensteifriger junger Mann, scheint mir«, sagte Brunetti.
    »Ja«, bestätigte der Sottotenente. »Er ist einer meiner besten Leute.« Gerade hatte er begonnen, Franchis Verdienste während der Ausbildung aufzuzählen, da kam der junge Mann schon mit einem Asservatenbeutel aus Plastik zurück,

Weitere Kostenlose Bücher