Brunetti 09 - Feine Freunde
zuwenig, gerade die Summe, die in einer Spielnacht zusammenkommt und die der Spieler leicht zurückgewinnen zu können glaubt, wenn er nur jemanden findet, der seine Schulden bezahlt, damit er wieder an die Tische gelassen wird.
Sie sah Brunetti an. »Kennen Sie diese Leute?«
»Nein. Ich weiß über sie nur, was ich von einer Bekannten erfahren habe.«
»Sie sind gräßlich«, sagte sie leise.
»Was war weiter?«
Signorina Elettra zuckte die Achseln. »Ich nehme an, sie haben getan, was sie immer tun. Sie haben mir gesagt, daß sie die Besitzurkunde für die Wohnung sehen müssen, obwohl ich sicher bin, daß er jemanden angerufen hatte, um sich zu vergewissern, daß die Wohnung wirklich mir gehört oder daß sie auf meinen Namen läuft.«
»Wer könnte das sein?« fragte er.
Sie warf einen Blick auf die Uhr, bevor sie antwortete: »Es ist wenig wahrscheinlich, daß noch jemand im Ufficio Catasto anzutreffen war, also mußte es jemand sein, der sofortigen Zugriff auf dessen Datenbanken hat.«
»Den haben Sie doch auch, oder?«
»Nein, ich brauche eine Weile, um das System zu knack..., ich meine, um in das System hineinzukommen. Der, von dem sie so prompt diese Auskunft bekommen haben, muß direkten Zugriff haben.«
»Und wie sind Sie nun verblieben?« fragte Brunetti.
»Ich soll morgen mit den Papieren wieder hin. Sie haben für fünf Uhr den Notar zu sich bestellt.« Sie lächelte zu ihm hinüber. »Man muß sich das vorstellen: Es kann einer sterben, bevor ein Arzt einen Hausbesuch bei ihm macht, und diese Leute haben vierundzwanzig Stunden am Tag einen Notar bei der Hand.« Der bloße Gedanke ließ sie die Stirn runzeln. »Also werde ich wohl morgen um fünf wieder hingehen. Wir werden alles unterschreiben, und die Volpatos werden mir das Geld geben.«
Noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, hob Brunetti einen Finger und bewegte ihn verneinend hin und her. Auf keinen Fall würde er Signorina Elettra erlauben, sich je wieder in solche Nähe zu diesen Menschen zu begeben. Sie gab zwar nur mit einem stummen Lächeln zu verstehen, daß sie das Verbot vernommen hatte, aber er glaubte auch ein wenig Erleichterung darin zu sehen.
»Und die Zinsen? Haben sie gesagt, wie hoch die sein werden?«
»Sie haben gesagt, darüber würden wir morgen sprechen, es würde in den Verträgen stehen.« Sie schlug die Beine übereinander und faltete die Hände im Schoß. »Das heißt dann wohl, daß wir gar nicht erst dazu kommen, darüber zu reden«, sagte sie, und das Thema schien für sie damit abgeschlossen.
Brunetti wartete ein paar Sekunden, bevor er fragte: »Und die Frömmelei?«
Signorina Elettra griff in ihre Jackentasche und zog ein rechteckiges Stück Papier heraus, etwas kleiner als eine Spielkarte, und reichte es Brunetti. Der sah es sich an. Es war steif, eine Art imitiertes Pergament, und zeigte eine Frau in Nonnentracht, die Hände vor der Brust gekreuzt und die Augen fromm verdreht. Brunetti las die ersten paar Zeilen darunter - ein Gebet, das mit einem illuminierten »O« begann.
»Santa Rita«, sagte Signorina Elettra, nachdem er das Bildchen eine Weile betrachtet hatte. »Offenbar eine weitere Schutzpatronin für hoffnungslose Fälle, und Signora Volpato fühlt sich ihr so nah, weil sie glaubt, auch sie hilft Menschen, denen jede andere Hilfe versagt ist. Deswegen verehrt sie die heilige Rita ganz besonders.« Erst nach einigem Nachdenken über dieses Wunder sah sich Signorina Elettra zu der Ergänzung imstande: »Mehr noch als die Madonna, hat sie mir gestanden.«
»Da hat die Madonna aber Glück gehabt«, fand Brunetti. Damit reichte er ihr das Bildchen zurück.
»Aber nein, Commissario, das dürfen Sie behalten«, erklärte sie großherzig.
»Hat man Sie eigentlich gefragt, warum Sie nicht zu einer Bank gegangen sind, wenn Ihnen doch die Wohnung gehört?«
»Ja. Und ich habe erzählt, ursprünglich habe mein Vater mir die Wohnung übereignet und ich wolle nicht riskieren, daß er erfährt, was ich da tue. Wenn ich zu unserer Bank gegangen wäre, wo man uns alle kennt, würde er über die Sache mit meinem Bruder sehr bald Bescheid wissen. Bei dieser Erklärung habe ich mich sogar zu weinen bemüht.« Signorina Elettra mußte lächeln, dann fuhr sie fort: »Signora Volpato hat mir gesagt, daß ihr die Sache mit meinem Bruder sehr leid tut, denn die Spielsucht sei ein schreckliches Laster.«
»Zinswucher wohl nicht?« fragte Brunetti, aber eigentlich war es keine Frage.
»Offenbar nein. Sie
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