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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Paola so lachen mußte, daß sie die Hände sinken ließ. »Nur zu, ich höre«, sagte er und griff nach der Flasche Pinot Noir, die auf der Küchentheke stand.
    »Als Susanna Arici von Rom zurückkam«, begann Paola, »hat sie in San Martino unterrichtet, um die Zeit bis zu ihrer Anstellung in einer staatlichen Schule zu überbrücken. Zwar war es nur eine Teilzeitstelle, aber sie war überzeugt, damit hätte sie immerhin den Einstieg ins staatliche Schulsystem geschafft.« Auf Brunettis fragenden Blick hin führte sie aus: »Susanna dachte, San Martino sei der Armee unterstellt und somit auch als staatliches Institut anerkannt. In Wirklichkeit ist die Akademie aber eine reine Privatschule und völlig unabhängig von der Armee, auch wenn sie staatlich bezuschußt wird, und zwar recht großzügig. Kurz, Susanna hatte nichts weiter als einen schlechtbezahlten Teilzeitjob, und als später eine Vollzeitstelle frei wurde, hat man sie schnöde übergangen.«
    »Sie hat Englisch unterrichtet, nicht wahr?« Brunetti hatte Susanna einige Male getroffen. Sie war die jüngste Schwester einer Klassenkameradin von Paola, hatte in Urbino studiert und war nach der Lehramtsprüfung nach Venedig zurückgekehrt, wo sie heute, glücklich geschieden, mit dem Vater ihrer zweiten Tochter zusammenlebte.
    »Ja, aber nur ein Jahr lang.«
    Inzwischen waren fast zehn Jahre vergangen, weshalb Brunetti fragte: »Glaubst du nicht, daß die Verhältnisse sich seitdem geändert haben?«
    »Aber nicht zum Besseren. Mit den staatlichen Schulen geht es jedenfalls stetig bergab - obwohl die Schüler heute sicher nicht viel anders sind als früher -, und ich wüßte nicht, wieso die Privatschulen besser dran sein sollten.«
    Brunetti zog seinen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich. »Also schön. Was hat Susanna erzählt?«
    »Daß die Eltern der meisten Schüler von San Martino gräßliche Snobs sind und ihre Arroganz an die Söhne weitergeben. Vermutlich an die Töchter genauso, aber da die Scuola San Martino nur Jungs aufnimmt ...« Paola verstummte, und Brunetti fragte sich schon, ob sie die Gelegenheit für ein Plädoyer gegen all die Schulen nutzen würde, an denen immer noch Geschlechtertrennung herrschte und die trotzdem staatliche Förderung kassierten. Doch sie kam und stellte sich neben ihn, nahm ihm wortlos das Glas aus der Hand, trank einen Schluck und reichte es zurück.
    »Keine Angst, mein Lieber. Mehr als eine Predigt aufs Mal würde ich dir nicht zumuten.«
    Brunetti unterdrückte ein Lächeln, das sie womöglich doch dazu ermuntert hätte. »Was hat Susanna noch erzählt?« fragte er.
    »Daß diese Patriziersöhnchen sich einbildeten, alles, was ihnen oder ihren Eltern gehörte, hätten sie auch verdient, und daß sie sich vor allem über ihre Clique definierten.«
    »Tun das nicht alle jungen Leute?« fragte Brunetti.
    »Aber die Jungs in San Martino fühlten sich offenbar allein ihrer Gruppe verpflichtet und wollten auch nur deren Regeln anerkennen«, erklärte Paola.
    »Kommt das nicht aufs selbe heraus?« fragte Brunetti.
    »Wir Polizisten empfinden genauso. Na ja, einige von uns.«
    »Ja, das wird wohl so sein. Aber ihr fühlt euch doch immer noch den Gesetzen verpflichtet, die auch für uns Normalsterbliche gelten, oder?«
    »Ja, schon«, stimmte Brunetti zu, aber wieder nötigten ihn sein Gewissen und mehr noch der Verstand zu der Einschränkung: »Einige von uns.«
    »Siehst du! Susanna meinte, bei den Jungs in San Martino sei das nicht der Fall. Die glaubten allen Ernstes, die einzigen Gesetze, nach denen sie sich zu richten hätten, seien die des Militärs. Und solange sie denen gehorchten und treu zu ihrer Gruppe ständen, so lange könnten sie sich alles erlauben.«
    Paola beobachtete ihn, und als sie sah, daß er ihr gespannt zuhörte, fuhr sie fort: »Und was noch schlimmer ist: Die Lehrer, die zum Großteil auch aus Offizierskreisen stammen, bestärken die Schüler noch in dieser Haltung und reden ihnen ein, sie müßten soldatisches Bewußtsein entwickeln.« Hier lächelte Paola bitter. »Das muß man sich mal vorstellen: Eine Privatakademie, die noch nicht einmal dem Militär unterstellt ist, kultiviert kriegerisches Sendungsbewußtsein und Gewaltverherrlichung. Eine Schweinerei, so was!«
    Eine vage Erinnerung, die Brunetti seit Tagen verfolgte, nahm allmählich Gestalt an. »Hat Susanna noch dort unterrichtet, als dieses Mädchen vergewaltigt wurde?« fragte er.
    »Nein, ich glaube, das war ein oder zwei

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