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Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die Beispiele von insabbiatura: unbequeme Fälle, die man ergebnislos im Sande verlaufen ließ. An einigen davon hatte er selbst mitgewirkt, und die Erinnerung daran zwang ihn jedesmal wieder, sich dem Ausmaß seiner Feigheit - oder seiner Verzweiflung - zu stellen.
    Das Rätsel um den angeblich verstorbenen Geheimdienstler ließ ihn nicht los: Wenn der Mann in Wahrheit noch lebte, wer hatte dann seinen Tod inszeniert, sein Führungsoffizier oder er selbst? Oder beide gemeinsam? Und wohin war er abgetaucht? Die Fingerabdrücke bewiesen, daß er in der Kammer des ermordeten vucumprà gewesen war - möglicherweise sowohl vor als auch nach dessen Tod. Brunetti verbot sich, darüber zu spekulieren, was der Mann sonst noch getan haben mochte.
    Einer spontanen Eingebung folgend und obwohl er eigentlich auf Signorina Elettras Anruf hätte warten sollen, verließ er die Questura und machte sich auf den Weg nach Castello. Vielleicht hielten sich die Afrikaner ja in ihrer Unterkunft verborgen. Unterwegs versuchte Brunetti sich auf die Straßenszenen zu konzentrieren und wählte absichtlich einen Umweg - alles nur, um sich abzulenken und nicht immerzu an den Toten denken zu müssen und an diesen Totgesagten.
    Wie nicht anders zu erwarten, waren die Fensterläden von Signor Cuzzonis Haus geschlossen, und an der Eingangstür hing ein Vorhängeschloß. Brunetti, der nichts zu verlieren hatte, ging in die Bar an der Ecke und bestellte einen caffè. Die Kartenrunde vom letztenmal war wieder zugange; allerdings hatten die Spieler sich ein paar Tische weiter nach hinten verzogen.
    »Sie waren doch schon mal hier«, sagte der Barmann. »Filippos Schulfreund«, setzte er belustigt hinzu.
    Dankend nahm Brunetti den Espresso entgegen. »Wir waren tatsächlich Schulkameraden«, sagte er. »Aber ich bin auch von der Polizei.«
    »Das dachte ich mir.« Der Barmann nickte selbstzufrieden. »Wir haben es alle geahnt.«
    Brunetti hob lächelnd die Schultern, trank den caffè in einem Zug aus und legte einen 5-Euro-Schein auf die Theke.
    Während der Barmann das Wechselgeld aus der Kasse nahm, sagte er: »Sie hatten sich nach den vucumprà erkundigt, nicht wahr?«
    »Ja. Ich untersuche den Mord an dem Afrikaner, der letzte Woche erschossen wurde.«
    »Dieser arme Teufel vom Santo Stefano?«
    Man hätte glauben können, der Barmann verwechsle Venedig mit irgendeinem gewaltbereiten Brennpunkt, wo man die neuesten Mordfälle nach Tatorten unterscheiden mußte. »Ganz recht.«
    »Für den interessieren sich scheint's eine Menge Leute.« Es klang wie eine Dialogzeile aus einem Kriminalfilm, die den Detektiv hätte elektrisieren müssen.
    So gern Brunetti dem Barmann auch den Gefallen getan hätte - ihm fiel nichts weiter ein als: »Zum Beispiel?«
    »Zwei Tage vor dem Mord war ein Mann in der Bar und hat nach den Afrikanern gefragt.«
    »Aber davon haben Sie mir beim letzten Mal gar nichts gesagt.«
    »Sie haben nicht gefragt«, entgegnete der Barmann. »Und Sie haben nicht gesagt, daß Sie Polizist sind.«
    Brunetti nickte zum Zeichen, daß er ihm recht gab. »Würden Sie mir etwas über den Mann erzählen?« bat er in gefälligem Plauderton.
    »Also er war nicht von hier. Aber warten Sie«, sagte der Wirt und wandte sich an die Kartenrunde. »Luca, der Typ, der wegen der vucumprà hier war? Was, glaubst du, war das für ein Landsmann?« Doch bevor der andere antworten konnte, fügte er, auf Brunetti deutend, hinzu: »Nein, nicht der hier. Der von neulich.«
    »Romano«, rief der Mann namens Luca zurück und spielte eine Karte aus.
    Brunetti hatte vergessen, Bocchese zu fragen, ob in dem Bericht stand, woher Michele Paci stammte. »Was wollte er denn wissen?«
    »Ob wir irgendwelche vucumprà im Viertel haben.«
    »Und was haben Sie ihm geantwortet?«
    »Als ich merkte, daß er nicht von hier war, habe ich gesagt, nein, bei uns gäbe es keine, und wenn sie wüßten, was gut für sie wäre, würden sie auch nicht versuchen, sich hier einzunisten.« Und auf Brunettis unausgesprochene Frage hin ergänzte er: »Ich dachte, das würde ihn überzeugen, daß wir hier keine Schwarzen haben wollten. Außerdem waren diejenigen, die zu mir in die Bar kamen, immer ruhig und höflich, haben ihren Kaffee bezahlt, bitte und danke gesagt: Warum hätte ich sie da an irgendeinen Fremden verpfeifen sollen.«
    »Aber mir geben Sie Auskunft.«
    »Sie sind auch kein Fremder.«
    »Weil ich Venezianer bin?«
    »Nein, weil ich mich bei Filippo erkundigt habe, und er sagt,

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