Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 14 - Blutige Steine

Brunetti 14 - Blutige Steine

Titel: Brunetti 14 - Blutige Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
ihm noch einen kleinen Grappa ein. »Amerikanische Touristen um acht Uhr morgens. Hier, trink das: Die Entschädigung hast du dir redlich verdient.«

5
    A m nächsten Morgen zog eine Schlechtwetterfront über die Stadt. Dicke Nebelschwaden hingen in der Luft und krochen begierig in alles, was ihren Weg kreuzte. Bis Brunetti zum imbarcadero der Linie eins kam, waren die Schultern seines Mantels mit feinen Tröpfchen übersät, und bei jedem Atemzug drang Feuchtigkeit in seine Lungen. Lautlos glitt das einlaufende Vaporetto aus einer so dichten Nebelwand, daß Brunetti kaum die Silhouette des Matrosen erkannte, der sich anschickte, das Boot zu vertäuen und das Scherengitter zu öffnen. Der Commissario ging an Bord und fragte sich, als er den Radarschirm über sich kreisen sah, wie es wohl draußen in der Lagune aussehen mochte.
    Er nahm in der Kabine Platz und schlug den Gazzettino auf. Was über den Mord am Campo Santo Stefano zu lesen war, deckte freilich nicht einmal die Informationen ab, die Brunetti am Tatort selbst in Erfahrung gebracht hatte. In Ermangelung harter Fakten verlegte der Reporter sich auf Gemütsjournalismus; beklagte den bitteren Preis, den die extracomunitari allein fürs bloße Überleben zu entrichten hätten, und sprach davon, wie schwer sie das Geld verdienen müßten, mit dem sie ihre Familien in der Heimat unterstützten. Bisher seien weder Name noch Nationalität des Opfers bekannt, hieß es weiter; doch da die meisten fliegenden Händler aus dem Senegal kämen, stamme vermutlich auch der Tote von dort.
    Ein älterer Mann, der an der Station Sant'Angelo zugestiegen war, setzte sich neben Brunetti und kiebitzte in dessen Zeitung. Stumm buchstabierte er die Schlagzeile nach und brummte dann: »Bringt nichts wie Ärger, wenn man die erst mal reinläßt ins Land.«
    Was Brunetti geflissentlich überhörte. Aber sein Schweigen animierte den Mann, noch eins draufzusetzen: »Wenn ich was zu sagen hätte, würde man mit denen kurzen Prozeß machen und sie allesamt ausweisen.«
    Brunetti grummelte etwas Unverständliches und blätterte demonstrativ weiter - ein Wink, den sein Nachbar offenbar nicht verstand. »Mein Schwiegersohn hat einen Laden in der Calle dei Fabbri. Er zahlt Miete und Steuern und den Lohn für seine Angestellten. Er schafft Arbeitsplätze, was der Stadt zugute kommt. Aber die da«, schloß er, und sein drohender Zeigefinger durchbohrte fast das anstößige Blatt, »was bringen uns die?«
    Nachdem er abermals undeutlich in sich hineingegrummelt hatte, faltete Brunetti die Zeitung zusammen, empfahl sich und ging an Deck, obwohl sie erst in Santa Maria del Giglio waren und er von da noch zwei Stationen weiterfahren mußte.
    Das Hotel Paganelli war ein schmalbrüstiger Bau, gleichsam ein architektonischer Gedankenstrich zwischen zwei Großbuchstaben: der Nobelherberge Danieli und dem Savoia e Jolanda. An der Rezeption sagte Brunetti, er sei mit dem Arztehepaar Crowley verabredet, und wurde ins Frühstückszimmer verwiesen. Der Portier dirigierte ihn in einen schmalen Korridor, der zu einem kleinen Raum mit sechs oder sieben Tischen führte. An einem davon saßen die Crowleys mit noch einem älteren Paar und einer Dame, deren äußerem Erscheinungsbild man offenbar kräftig nachgeholfen hatte.
    Kaum daß Fred Crowley Brunetti hereinkommen sah, sprang er auf und winkte ihm zu; seine Frau schaute hoch und lächelte zur Begrüßung. Der andere Mann erhob sich ebenfalls und blieb stehen, bis Brunetti an den Tisch gekommen war. Eine der Damen lächelte dem Commissario entgegen, die andere blieb ernst.
    Die beiden, die ihm als Ehepaar Peterson vorgestellt wurden, waren klein und schmächtig, vogelartige Gestalten im unscheinbaren Spatzenlook. Sie hatte eisengraues, dauergewelltes Haar, das ihren Kopf wie ein Helm umschloß; er war völlig kahl und sein sonnengegerbter Schädel der Länge nach von tiefen Furchen durchzogen. Die Frau, die nicht zu lächeln geruhte - ihr Name war Lydia Watts -, bestach mit kupferroter Mähne und Ton in Ton darauf abgestimmtem Lippenstift. Indes hatte keine ärztliche Kunst es vermocht, die Hand, mit der sie sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn strich, auf das Alter ihres Gesichts und ihrer Haare zurückzustufen.
    Auf dem Tisch standen die Überreste des Frühstücks: benutzte Kaffeetassen, Teekännchen, angebissene Buttersemmeln, zwei leere Brotkörbchen und eine leer gegessene Servierplatte, die zuvor wohl mit Käse oder Aufschnitt belegt gewesen

Weitere Kostenlose Bücher